Algerier von Neonazis zu Tode gehetzt

■ In Guben an der Neiße haben ein Dutzend Rechtsradikale einen Asylbewerber verfolgt. Bei der Flucht durch eine Scheibe verletzte sich Omar Ben Noui so schwer, daß er verblutete. Haftbefehle gegen fünf Männer beantragt

Guben (taz) – Ein 28jähriger algerischer Flüchtling ist im brandenburgischen Guben von Neonazis zu Tode gehetzt worden. In der Nacht zum Samstag hatten die Rechtsradikalen Omar Ben Noui unter Rufen wie „Türken raus!“ und „Ausländer raus – Krankenhaus!“ durch die Stadt gejagt. Bei seiner Flucht schlug der Mann die Scheibe einer Haustür ein und verletzte sich dabei am Knie so schwer, daß er kurz darauf verblutete. Gegen fünf Tatverdächtige im Alter von 17 und 18 Jahren hat die Staatsanwaltschaft Haftbefehl beantragt. Gestern versammelten sich vor dem fünfstöckigen Neubaublock etwa 300 Menschen, darunter auch Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), Innenminister Alwin Ziel (SPD) und Gubens Oberbürgermeister Gottfried Hain. Viele trugen Kerzen in der Hand. Stolpe nannte die „ungeheuerliche Schreckenstat“ einen „Vorgang gegen den Trend“. Er rief zu „Signalen der Friedfertigkeit“ auf. Parallel zu der Demonstration der Gubener protestierten linke Gruppen aus Berlin und dem benachbarten Cottbus gegen Neonazis. „Wut und Trauer wider den Mord! Kampf dem Faschismus an jedem Ort!“ rief die Menge. Zu Zwischenfällen mit der Polizei kam es nicht.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war der Verfolgungsjagd eine Schlägerei zwischen Deutschen und Ausländern in einer Diskothek vorausgegangen. Dabei war ein Deutscher von einem Schwarzafrikaner leicht verletzt worden. Anschließend machten sich 10 bis 15 Jugendliche, darunter auch Skinheads, mit ihren Autos auf, um den Mann in der Stadt zu suchen. An einer Tankstelle entdeckten sie Omar Ben Noui, einen weiteren Algerier und einen Asylbewerber aus Sierra Leone. Noui und der Flüchtling aus Sierra Leone rannten in die eine Richtung, der zweite Algerier in die andere. Nach rund 500 Metern versuchten sich Noui und der Schwarzafrikaner in ein Mehrfamilienhaus zu retten. Dabei habe Noui die Glastür so unglücklich eingetreten, daß er sich die Knieschlagader aufgerissen habe, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Cottbus: „Er ist innerhalb von 15 Minuten verblutet.“ Anwohner hätten versucht, Erste Hilfe zu leisten. Die Rechtsradikalen fuhren dagegen mit ihrem Auto davon.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus wollte gestern gegen fünf männliche Jugendliche Haftbefehl wegen Landfriedensbruchs, fahrlässiger Tötung, Nötigung und Beleidigung beantragen. Die Festgenommenen sind der Polizei durch Körperverletzungen und Propagandadelikte bekannt.

Die Stadt Guben an der Grenze zu Polen ist für ihre rechte Szene bekannt. „Die Jugendlichen sind aber nicht organisiert“, so der Cottbusser Polizeisprecher. Bislang seien Neonazis vor allem durch „Sieg Heil“-Rufe und Hakenkreuzschmierereien aufgefallen. Anwohner berichteten, bereits am Vortag hätten Jugendliche in dem Stadtteil Ausländer verfolgt. Brandenburgs Grüne haben als Reaktion auf die tödliche Hetzjagd die CDU aufgefordert, ihre Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpaß sofort zu stoppen. Die Aktion habe latent wirkenden Fremdenhaß weiter geschürt, so Inke Pinkert-Sältzer. mv/klh

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