Und ganz doll dich!

■ Lust & Laster auf der „Sexpo“ im Pier 2, oder: Warum Q-Tips für Maler unersetzlich sind

Es war ein internationales Festival der Erotik angekündigt. Aufregende Shows sollten – tabulos und ohne Berührungsängste – Junge und Alte, Männer und Frauen in Laune bringen. Am Ende waren Veranstalter und Künstler genervt und enttäuscht. Schon bei Veranstaltungsbeginn am Freitag war klar, daß die Shows nicht so würden über die Bühne gehen können, wie die Damen und Herren das geplant hatten. Die Bremer Behörden hatten, wie schon vor etwas mehr als einem halben Jahr beim Konzert der britischen Band 'Rockbitch' im Tivoli kein Verständnis dafür, daß auf der Bühne Sex gezeigt wurde. Und auch Gegenstände sollten nicht in Körperöffnungen eingeführt werden. Bei der ersten (und letzten) Zuwiderhandlung wurde tatsächlich prompt gestraft.

Am Sonntag dann durften sich die Akteure noch nicht einmal an sexuell konnotierten Körperteilen berühren. So mußte das 'Tantra'-Duo seine Massagen antäuschen und für das Body-Painting Q-Tips zu Hilfe nehmen. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei kurz erwähnt, daß die Sexpo ab 18 Jahren freigegeben war.

Die strikten Auflagen für die Shows waren allerdings nur ein Dämpfer. Der andere war das Publikum, das, vorwiegend männlich, nicht nur danach aussah, als würde es auch bei höheren Außentemperaturen lange Mäntel mit hochgeschlagenem Kragen tragen, sondern auch durch nichts anderes in Wallung zu bringen war, als die klassische Entblätterungsnummer called 'Striptease'. Will sagen: Der Typ Mensch, der nach landläufigen Vorstellungen im Sex-Shop am Bahnhof regelmäßig seine Einkäufe tätigt. Die entsprechende Ware gab es schließlich auch zu kaufen. Ein Stand war geradezu prototypisch bestückt. Zum einen mit einem Filmprogramm, das nicht nur zartbesaiteten Menschen den Appetit verderben konnte, zum anderen mit drei Ausstellern, die, bebaucht, bebrillt (Winterverglasung) und picklig ihr fettiges Haar zur Seite gescheitelt trugen, also aussahen, als seien sie selbst ihre besten Kunden.

Von Veranstalterseite war zu hören, daß die Zielgruppe, die die Sexpo anderswo auch durchaus erreiche, eigentlich eine ganz andere sei. Junge Leute mit Faible für ausgefallene Klamotten, Schmuck und Bizarres. Da hatten sie in Bremen die Rechnung ohne den kleinen Mann gemacht, der schließlich immer die Zeche zahlt. Der Aussteller mit dem Indianerschmuck kriegte nicht einmal seine Standmiete wieder herein. Die Show der Briten von 'Rubbercare' wurde mit annähernd totalem Desinteresse aufgenommen. Und als Moderatorin Nadine jemanden aus dem Publikum fragt: „Und was gefällt dir denn besonders?“ lautete die Antwort: „Dich!“

Wird wohl einer aus einer drei- bis vierköpfigen Gruppe junger Männer im wehrpflichtigen Alter gewesen sein, die – neben Regenmantelträgern – einen weiteren großen Anteil am Publikum ausmachten. Am Freitag bedrängten sie den Stand von Porno-Darstellerin Chantal Chevalier und ihrer Kollegin Asia Blue (tjaha, so heißen solche Leute, und nicht Lieschen Müller!) und mißverstanden deren freundlich lächelnde Gesichter als Sympathiebezeugungen.

„Sodomie – Lust oder Laster?“ fragte ein Buchtitel. Als ob es einen Markt von solcher Größe gäbe, wenn Sex nicht auch ein Laster wäre. Und ein Laster ist Sex schließlich nicht zuletzt, weil es sich dabei um eine lustvolle Angelegenheit handelt. Und so wird eben ein Gewese darum gemacht, auf daß es auch so bleiben möge. Irgendwie schade.

Andreas Schnell