piwik no script img

„Stelle statt Stütze“ bleibt hinter Erwartungen zurück

■ 1.000 SozialhilfeempfängerInnen hat das Programm bisher mit einem neuen Job beglückt

Drei Jahre lang hat Michaela Alex von der Sozialhilfe gelebt, seit Anfang des Jahres hat sie wieder einen Job — und wurde dafür gestern von Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) mit einem Blumenstrauß bedacht. Denn Alex ist die tausendste SozialhilfeempfängerIn, die durch das Programm „Stelle statt Stütze“ wieder einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden hat. Aus diesem Anlaß zogen die Senatorin und die Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung (gsub), die das Programm im Auftrag des Senats durchführt, gestern Bilanz. Und diese blieb, so gsub-Geschäftsführer Reiner Aster, „hinter den Erwartungen zurück“.

Denn als das Projekt Ende 1996 auf Initiative der damaligen Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) startete, rechnete man mit mehr als doppelt so vielen Vermittlungen. Bis zu 50 Prozent der KlientInnen brachen die Beratungsangebote von „Stelle statt Stütze“ ab. Die ausschließliche Vermittlung auf unbefristete Stellen im ersten Arbeitsmarkt, die zudem an Qualifizierungsprogramme gekoppelt ist, stelle einen hohen Anspruch dar, so Aster. Dies sei offenbar eine Hürde sowohl für die Jobsuchenden als auch für geeignete Unternehmen.

Das Ergebnis sei dennoch „beachtlich“, so die Arbeitssenatorin. „Schließlich ist nicht jeder so einfach vermittelbar wie Frau Alex. Manche SozialhilfeempfängerInnen muß man zu ihrem Glück auch zwingen.“

Und immerhin: Von den rund tausend schwervermittelbaren Sozialhilfeempfängern, die die gsub seit Dezember 1996 in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse vermittelt hat, sind heute noch 700 in Lohn und Brot. Insgesamt leben rund 270.000 BerlinerInnen von Sozialhilfe, ein Drittel von ihnen sind im erwerbsfähigen Alter.

Die 600 beteiligten, zumeist kleinen Betriebe erhalten pro Neueinstellung einen Zuschuß von bis zu 30.000 Mark. Zwei Drittel davon stammen aus den Sozialtöpfen der 20 teilnehmenden Bezirke, der Rest kommt aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF).

„Die Modellphase hat das Projekt überwunden“, sagte die Senatorin. Doch der Vertrag zwischen Senatsverwaltung und der gsub läuft bereits Ende des Jahres aus. Ob er verlängert wird, ist noch offen. Dies ist auch abhängig von den Vermittlungszahlen. Die gsub will bis zum Sommer weitere 300 Jobs vermitteln.

Darauf hofft auch Neuköllns Sozialstadträtin Stefanie Vogelsang (CDU), Herrin über das größte Sozialamt der Republik: „Hiermit zeigen wir schließlich unsere soziale Verantwortung und Kompetenz.“ Michaela Alex auf jeden Fall ist froh, daß sie durch das Programm wieder auf einer vollen Stelle als Sekretärin arbeiten kann: „Endlich muß ich nicht mehr stundenlang auf dem Flur des Sozialamtes warten, und meine Tochter freut sich auch über mehr Taschengeld.“ Christoph Rasch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen