Das Geschäft mit der kubanischen Flucht nach Miami

■ Flüchtlinge kommen nicht mehr auf wackeligen Flößen, sondern mit modernen Schnellbooten

San Salvador (taz) – Im karibischen Meer zwischen Kuba und Florida gibt es jede Menge Haie. Neuerdings machen sich daneben auch Kojoten breit. So nennt man in Lateinamerika illegale Schlepper, und die verdienen sich derzeit auf den neunzig Seemeilen zwischen Havanna und Florida eine goldene Nase. Rund fünfhundert Kubaner haben sie nach Auskunft der Küstenwache in Miami in den vergangenen drei Monaten in die USA gebracht. Tendenz: steigend. Allein am vorvergangenen Wochenende schafften 49 den Sprung von der sozialistischen Insel auf kapitalistisches Festland. Im Außenministerium in Washington vermutet man schon, Fidel Castro habe die Überwachung der Küsten gelockert, um seinen Erzfeind zu provozieren.

Mit der sogenannten Balsero- Krise vom Sommer 1994 ist die jüngste Auswanderungswelle nicht zu vergleichen. Damals hatten mehr als 30.000 Menschen Kuba auf selbstgebastelten Flößen verlassen. Viele waren auf der Fahrt Opfer der Haie geworden. Die heutigen Illegalen dagegen kommen nicht mehr völlig ausgezehrt und durchnäßt an Floridas Stränden an.

Sie sind gut gekleidet und bringen die wichtigsten Dokumente wie Geburtsurkunde und Studienabschluß mit. Oft denken sie sogar an Fotoalben und ähnliche Erinnerungsstücke ihrer realsozialistischen Vergangenheit. Die Schnellboote, auf denen bis zu zwölf Flüchtlinge Platz haben, sind mit Satelliten-Navigationssystem ausgestattet und schaffen die neunzig Meilen in gut drei Stunden. So ein Trip kostet zwischen 2.000 und 8.000 Dollar. Bezahlt wird im voraus von Verwandten, die schon in den USA leben. Ein Mitglied der Schlepperbande reist danach als Tourist auf die Insel, stellt den Kontakt zu den Fluchtwilligen her und gibt Ort und Zeitpunkt bekannt, an dem sie abgeholt werden. In Florida gilt es nur, festen Boden zu erreichen. Die Kojoten machen sich deshalb nicht einmal die Mühe, eine abgelegene Bucht zu suchen. Es ist vorgekommen, daß sie ihre Fracht am weißen Sandstrand des Badeorts Miami Beach vor den Augen von Schaulustigen absetzten.

Die Basis des Geschäfts der Kojoten ist ein Migrationsabkommen, auf das sich die USA und Kuba 1995 nach der Balsero-Krise geeinigt haben. Danach werden Kubaner, die von der Küstenwache auf See aufgegriffen werden, wieder auf die Insel zurückgeschickt. Wer aber schon festen Boden in den USA betreten hat, darf bleiben. Zudem erteilen die USA ganz legale Einreisevisa. 11.000 davon hat die Interessensvertretung in Havanna im vergangenen Jahr verlost. Mehr als eine halbe Million Kubaner hatten sich beworben. Die Chance, mit einem Kojoten ins Land der Träume zu kommen, ist da um ein Vielfaches höher.

In Florida scheint es sich inzwischen herumgesprochen zu haben, daß man mit solchen Schnellboot- Trips gutes Geld verdienen kann. Die Zahl der ins Land geschleusten Kubaner steigt Monat für Monat. 1997 haben nach der Statistik der Einwanderungsbehörde 952 Illegale von der sozialistischen Insel US-amerikanischen Boden erreicht. 406 wurden bereits auf hoher See erwischt und dem Abkommen gemäß zurückgeschickt. 1998 kamen 2.362 an Land, 1.047 wurden vorher abgefangen.

Fidel Castro weist den Vorwurf zurück, er habe da seine Hand mit im Spiel, um den Gringos einen gezielten Nadelstich zu verpassen. Die seien selbst schuld. Schließlich hätten sie die Klausel gewollt, daß, wer festen Boden betrete, auch bleiben darf. „Nur deshalb gibt es Leute, die es drei- oder viermal versuchen. Sie wissen, daß ihnen nichts passieren kann.“ Aber natürlich werde man etwas gegen die Plage unternehmen. Außenamtssprecher Alejandro Gonzalez kündigte an, Kuba werde „energisch gegen das skrupellose und gefährliche Geschäft des Menschenschmuggels vorgehen“. Castro habe höchstpersönlich lebenslängliche Freiheitsstrafen für geschnappte Kojoten gefordert. Toni Keppeler