Demonstration morgens um vier

Mehrere hundert KurdInnen protestieren in Hamburg gegen Verhaftung von PKK-Führer Abdullah Öcalan. Rund 60 Festnahmen  ■ Von Elke Spanner

Der Bus mit der Aufschrift „Sonderfahrt“ blieb leer. Zwar hatte die Hamburger Polizei bei Demonstrationen von KurdInnen schon des öfteren Fahrzeuge des Verkehrsverbundes für Massenfestnahmen zweckentfremdet – und auch vor dem Dammtorbahnhof, wo rund 300 KurdInnen gestern mittag im Polizeikessel ausharrten, machten Gerüchte die Runde, die Protestierenden sollten aufs Revier gebracht werden. Doch nachdem eine Delegation mit der Polizei verhandelt hatte, durften die KurdInnen zum „Volkshaus“ im Schanzenviertel ziehen. Der Bus blieb unbenutzt; die Verhandlungsführer wurden von den Demonstranten mit Beifall gefeiert.

So mündete in einer Demonstration, was am Vormittag als verzweifelter Wutausbruch begonnen hatte: Gegen 4 Uhr morgens war bekanntgeworden, daß der Chef der kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, in der griechischen Botschaft in Nairobi verhaftet wurde. Rund 120 DemonstrantInnen hatten sich daraufhin vor dem griechischen Konsulat in Harvestehude versammelt. Sie protestierten in Sprechchören gegen die Festnahme; fünf Fenster des Konsulats gingen zu Bruch.

Die DemonstrantInnen waren gegen Mittag zu den Konsulaten Großbritanniens, den USA und der Türkei weitergezogen, nachdem der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit öffentlich verkündet hatte, Öcalan befinde sich inzwischen in der Türkei. Auf dem Weg beschädigten sie zahlreiche Autos und Telefonzellen. Rund 60 Menschen wurden festgenommen.

Auf dem Rathausmarkt versammelten sich gegen Mittag rund 80 KurdInnen. Sie trafen schließlich auf dem Jungfernstieg mit dem Demonstrationszug aus dem Schanzenviertel zusammen. Zwischen 400 und 500 KurdInnen waren auf der Straße, skandierten „Hoch die internationale Solidarität“ und immer wieder: „Türkei, Terrorist“. Die Polizei war mit etwa ebensovielen BeamtInnen vor Ort und hielt Wasserwerfer bereit. Zu Auseinandersetzungen kam es nicht.

Unterdessen forderte Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) die in Hamburg lebenden KurdInnen „zur Besonnenheit“ auf. Sie müßten die deutsche Rechtsordnung respektieren. Auch Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) kündigte „ein hartes Vorgehen gegen die zum Teil gewalttätigen Demonstranten“ an. Er befürchtete, daß die Proteste negative Auswirkungen auf die Debatte zur doppelten Staatsbürgerschaft haben würden. Die Chefin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Antje Möller, versprach den KurdInnen auf dem Jungfernstieg, sie werde sich dafür einsetzen, daß der Prozeß gegen Öcalan in der Türkei unter internationaler Beobachtung stattfinden werde.