Verhinderter Sturm auf die Bürgerschaft

■ Kurden wollten Haus der Bürgerschaft stürmen / Nach Verhandlung mit dem bündnisgrünen Abgeordneten Arendt Hindriksen wurde die Demonstration friedlich aufgelöst

Nach ein paar Minuten ist der Spuk schon vorbei. Nur noch Fußabdrücke an den Glastüren legen Zeugnis davon ab, daß die Bürgerschaft beinahe gestürmt worden war. Längst riegeln Polizeibeamte das Gebäude ab. Ihre Hunde bellen im Takt mit der skandierenden Menge vor ihnen. Wenige Minuten vorher hatte ein Spezialkommando noch mit zehn Kurden im Hauseingang gerangelt, die das Gebäude überraschend gestürmt hatten. Aber mehr als ein paar donnernde Fußtritte konnten sie nicht hinterlassen: Die Pförtner hatten die zweite Türreihe aus Glas längst verriegeln lassen.

Trotzdem ist die Stimmung vor dem Parlamentsgebäude weiter aufgeheizt. Mehrere hundert Kurden recken die Arme hoch und schreien „Blut um Blut. Zahn um Zahn. Wir sind bei dir Öcalan“. Rot-geld-grüne kurdische Fähnchen werden geschwenkt. Ein gelbes Transparent mit dem Konterfei von PKK-Chef Abudallah Öcalan flattert im Wind. Frauen, Kinder, Jugendliche und Männer – sie alle verteilen Flugblätter und fordern als „Freundinnen des kurdischen Volkes“ die Freilassung des verhafteten Anführers der kurdischen Unabhängigkeitsbewegung (vgl. S. 2 und 3).

Erst als sich der schnell alarmierte und herbeigeilte grüne Bürgerschaftsabgeordnete Arendt Hindriksen vor Ort um Deeskalation bemüht, wird es langsam ruhig. Hindriksen hatte sich nach der Stürmungsaktion eilends mit einer vierköpfigen Delegation der Protestler ins Haus der Bürgerschaft zurückgezogen. „Wir haben uns gegenseitig etwas versprochen“, verkündete er der Menge draußen schließlich nach einer halbstündigen Beratung: „Wir setzen uns für Eurer Anliegen im Bremer Parlament ein und ihr löst die Demonstration friedlich auf und verzichtet auf Gewalttätigkeiten in der Stadt.“ Ein Angebot, das die Demonstranten vom grünen Schlichter und Mitbegründer des „Kurdisch-Deutschen-Solidaritätsvereins“ offenbar auch annahmen: Ein letzter lauter Aufschrei, dann löste sich die Versammlung friedlich auf. Bis zum Redaktionsschluß blieb es ruhig in der Stadt.

Noch am Mittag herrschte bei der Polizei allerdings höchste Alarmbereitschaft. Meldungen von schweren Ausschreitungen in anderen Städten erreichten die Hansestadt. Das Gerücht, die Bremische Bürgerschaft könnte möglicherweise besetzt werden, machte die Runde. Beamte in Zivil patroullierten deshalb seit Mittag vor allem am Marktplatz. Dort sammelten sich wiederholt mehrere kleine Gruppen von Kurden, die sich aber immer wieder auflösten. Aus Sicherheitsgründen riegelten die Pförtner die Türen zur Bürgerschaft gegen 12 Uhr vorsichtshalber ab. Zweieinhalb Stunden später war es dann aber doch soweit: Eine Gruppe nutzte um 14. 30 Uhr überraschend die Gunst der Stunde – und stürmte auf Fingerschnipp los, als ein Besucher das Parlamentsgebäude gerade verlassen hatte. Die herbeieilenden Sonderbeamten in Zivil griffen sofort ein.

Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) war deshalb gestern nachmittag voll des Lobes für den erfolgreichen Polizeieinsatz. Er dankte den Polizeibeamten, daß sie den „Sturm der Bremischen Bürgerschaft durch rund 100 PKK-Aktivisten verhindert haben“ – und warnte die „Aktivisten und Sympathisanten der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) ausdrücklich vor gewalttätigen Aktionen in Bremen“. Wer die deutsche Rechtsordnung nicht akzeptiere, müsse „darüber im Klaren sein, daß er nicht dauerhaft in Deutschland bleiben kann“, sagte Borttscheller.

Doch die von Schlichter Hindriksen als „PKK-nah“ beschriebenen Bremer Protestler hatten im Gespräch immer wieder deutlich gemacht: „Wir wollen keine Gewalt“, erklärte einer der Delegationsführer. „Sie müssen unsere Gefühle verstehen. Was wir wollen, ist eigentlich nur Hilfe vom deutschen Volk.“ Die Polizei hätte sie am Eintreten in die Bürgerschaft gehindert, erklärte er. Der Grüne Arendt Hindriksen jedenfalls faßte das gemeinsame Statement so zusammen: „Wir haben darüber gesprochen und uns darauf geeinigt, daß es falsch war“, erklärte er den abschließenden Stand der Verhandlungen. kat