Irritationen im weiten Feld der Wahrnehmung

■ Acid und Meskalin zählen zu den Drogen der Natur, die Peter Doig in seinen Bildern inszeniert. „Country Rock“ ist der Titel der Ausstellung, die bei Contemporary Fine Arts zu sehen ist

Irgend etwas stimmt nicht mit dem Tunnel auf der anderen Seite der Straße. Sein grüngelber und orangeroter Anstrich erinnert mehr an ein Greenpeace-Zelt oder an bunt bemalte Zwergenfelsen. Dabei sieht in der Umgebung alles gepflegt aus, sauber begradigt, so wie die Landschaften entlang der Highways in Amerika mit dem Lineal des Architekten gestaltet sind. Aber dieser eine Fleck, diese eine Irritation im weiten Feld der stromlinienförmig zugerichteten Natur hat es Peter Doig angetan. Hier bricht ein Fremdkörper in die Ordnung hinein, blitzt kurz auf und verschwindet wieder, während man lange nach dem Vorbeifahren noch im Motel darüber grübelt, wer seine Flowerpower-Spuren dort am Straßenrand hinterlassen haben könnte. Ein Drop-out vermutlich.

Die Malerei des in London lebenden Kanadiers ist voll mit Anspielungen auf die Beatnik-Mythen der sechziger Jahre. Doig bedient sich beim Farbkasten der Psychedelik und trägt dick auf: Für „Orange Forest“ glüht die Sonne über einem Waldstück in hellen Flammen, auf „Figure in Mountain Landscape, II“ sitzt ein grün fluoreszierender Mönch auf einem rosa bis violett glühenden Berg und malt expressive Stricheleien auf die Leinwand. Wer nimmt hier welche Drogen und wenn ja wieviele?

Dabei nutzt Doig Natur nur als ein Mittel zur Inszenierung von Malerei. Mal zitiert er die getupften Blumenwiesen des französischen Impressionismus, mal läßt er verfallene Hütten à la Edward Hopper unter Farbfeldmustern verschwinden. Während Landschaftsdarstellung in der amerikanischen Kunst von der Romantik bis in die Land-art-Projekte reicht, interessiert sich Doig eher für ihre dunkle Seite, die man vor allem aus Horrorfilmen kennt. Eine frühere Arbeit mit einem still auf dem See dahintreibenden Kanu war von „Freitag der 13.“, inspiriert und auch sonst liegt das Hauptaugenmerk des Malers vor allem in der Spannung, die sich in den zumeist menschenleeren Szenen abbilden läßt. Hinter jeder Hecke könnte eine Leiche liegen. Solche Spekulationen sind zwar möglich, sie zeigen aber nur um so klarer, wie fremd die Natur in ihrem undurchdringlichen Schweigen mittlerweile geworden ist. Man sieht nichts mehr außer einer Reihe unheimlicher Projektionen.

Zu dieser Art Retrodrama paßt der erzählerische Rahmen, den Doig seinen Gemälden gegeben hat. „Country Rock“ ist eine Hommage an Gram Parsons, der bei den Flying Burrito Brothers sang und mit 25 Jahren an einer Überdosis starb. Acid und Meskalin zählen zu den Drogen der Natur, die Doig in Szene setzt. Heroin und Koks sind eher etwas für depressive Städter. Gram Parsons ist daran zugrundegegangen – in Joshua Tree, Californien. Harald Fricke

Bis 20. 3., Mo - Sa 10 - 18 Uhr, Contemporary Fine Arts, Sophienstraße 21