■ Berlinalie
: Hello, hello!

Wenn man einen Monat lang in Asien gewesen war und dann zurückkommt, erlebt man sozusagen einen umgekehrten Kulturschock. In Thailand hatte es mich zunächst sehr verwirrt, wie überaus freundlich die Menschen zu mir waren. Deutschland begrüßte mich auf dem Pariser Flughafen mit der Schlagzeile über den jungen Algerier, der von deutschen Jugendlichen zu Tode gehetzt worden war. Im Flugzeug am Morgen sah Berlin aus wie in einem schönen Film.

Die zwei Türme des Reuter- Kraftwerks standen im Morgennebel. Über dem Morgennebel schien eine winterliche Sonne. Ein breites Wolkenband zerschnitt den Himmel. Es ist schön hier, dachte ich, obgleich oder vielmehr, weil ich noch gar nicht so ganz da war. Deshalb kam mir die Kälte, die ich kaum spürte, als ich vor dem Flughafen auf den Bus wartete, auch wie ausgedacht vor. Ich fühlte mich wie im Rausch; getrennt von dem, was um mich war; im Kopf noch den Lärm, die Hitze und den Gestank von Bangkok. Um mich herum kam mir alles extrem still vor. Es ist seltsam, irgendwo zu sein, wo man noch gar nicht ist. Man begegnet seiner Umwelt dann wie im Kino, dessen Abgesandte mir am Flughafen gleich ein Berlinale-Heft in die Hand drückten. Vielleicht ist dies Gefühl auch umgekehrt wie Kino: weil man ja selbst noch gar nicht am gegenwärtigen Ort angelangt ist, fühlt man sich wie eine Figur auf der Leinwand, die auf die Zuschauer schaut.

Um wieder sanft in meine Berliner Wirklichkeit zu gleiten, wollte ich schnell zur Berlinale. Auf dem Weg ins Kino traf ich am Wittenbergplatz einen Chinesen, der auf einem geigenähnlichen Instrument die Musik spielte, die ich selber noch aus Bangkok in meinem Kopf hatte. Statt ins Kino zu gehen, stand ich erst mal eine Weile bei ihm und wünschte ihm ein „Happy Chinese New Year“. Das Jahr des Hasen, das als sehr glückverheißend gilt, hatten die Chinesen in Bangkok angefangen zu feiern, als ich fortfuhr. Leider verstand mich der chinesische Musiker nicht, trotzdem nahm ich die Begegnung als gutes Omen. Um wieder anzukommen, sei es am besten, erst mal asiatische Filme zu gucken, empfahl mir Dorothee Wenner vom Forum. Eine Frau, die vor mir im überfüllten Arsenal saß, hielt lange einen Platz neben sich frei und sagte allen, die fragten, ob sie sich da hinsetzen könnten, der Platz sei besetzt. Das sei ja auch eine gute Methode, sich einen Nebenmann seiner Wahl auszusuchen, sagte sie. Als die Freundin dann doch nicht kam, winkte sie einen sehr gut aussehenden jungen Japaner herbei, den sie zuvor wie zehn andere abgewiesen hatte.

Das Liebespaar in der ersten Szene des sehr formalschönen japanischen Films „Dog Food“ von Seiichi Tanabe lächelte so wunderschön wie die thailändischen Teenager am Valentinstag, der in Bangkok mit großer Begeisterung gefeiert wird. In dem Film geht es allerdings um Entfremdung und die Beziehungsunfähigkeit des jungen Helden. Der thailändische König Bhumipol sieht übrigens aus wie ein Filmstar. Auf meinem Lieblingsfoto, das viele Thailänder an der Wand hängen haben, fährt er als junger Mann mit Sonnenbrille Wasserski. Detlef Kuhlbrodt