Aus deutschen Landen frisch nach rechts

Horst Mahler, einst bei SDS und RAF tätig, demonstriert gegen den Doppelpaß und will eine nationale Sammlungsbewegung gründen. Seine Ex-Genossen kontern mit Unterschriftenliste gegen ihn  ■ Von Severin Weiland

Berlin (taz) – Ein deutscher Schäferhund kläfft, zwei Deutschlandfahnen flattern im Wind, eine ältere Dame hält sich ihre Pelzmütze fest. Mittendrin in der 30köpfigen Gruppe von Rentnern und wenigen Jüngeren, die sich da an der Ruine des Anhalter Bahnhofs in Berlin zusammengefunden haben und Schilder gegen die doppelte Staatsbürgerschaft hochhalten, steht Horst Mahler.

Der Mann mit den grauen, kurzgeschorenen Haaren scheint die Aufmerksamkeit zu genießen. Bereitwillig läßt er sich fotografieren und interviewen. Wochenlang hat er die Medien mit Manifesten versorgt, in denen er vor der „Überfremdung“ warnt. Focus hat ein zweiseitiges Interview abgedruckt, in dem er zur Gründung einer „nationalen Sammlungsbewegung“ aufgerufen hat. Die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit kann gar nicht genug kriegen: Ein Linker bei den Rechten! Mahler sieht das natürlich ganz anders. „Ach wissen Sie, diese Kategorisierungen, die bringen doch überhaupt nichts. Es geht doch ums Große.“ Das „Große“, das Mahler meint, sind seit einigen Monaten die Deutschen, die Blutsdeutschen im speziellen. Das Volk sei in Gefahr, im „Laufe von nur 50 Jahren zu einer Minderheit in ihrem eigenen Land zu werden“.

Ob er das wirklich ernst meine, was er da schreibe, fragt ein Reporter. „Das ist kein Spaß“, sagt Mahler und lächelt.

Horst Mahler, der Frontgänger, der Jongleur: Einst war er Burschenschaftler in einer schlagenden Verbindung, kam dann als wohlhabender Anwalt in den 60ern zum Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), war Mitbegründer der RAF, ließ sich in einem Palästinensercamp in Jordanien an der Waffe ausbilden, saß zehn Jahre in Deutschland im Gefängnis, um sich schließlich vom Terrorismus loszusagen.

Seit 1988 ist er wieder Anwalt in Berlin. Doch das hat den heute 63jährigen nicht ausgefüllt, wie ehemalige Mitstreiter glauben. Mahler sei immer ruhelos gewesen, sagt etwa Hanna Kröger, frühere SDS-Aktivistin: „Sich mit einer Anwaltspraxis zu bescheiden, das ist wohl für ihn nicht denkbar.“ Die früheren SDS-Genossen, von denen sich einige seit geraumer Zeit wieder regelmäßig treffen, sind wütend, verunsichert. Einer richtete gar eine Homepage ein, auf der die Briefe ehemaliger Genossen an Mahler nachzulesen sind. Vergangene Woche hat der SDS-Veteranenclub Mahler exkommuniziert: Sie warfen ihn aus einer Kreuzberger Kneipe hinaus. „Man kann sich gar nicht genug distanzieren“, sagt Hanna Kröger.

Auch Bernd Rabehl, Soziologieprofessor an der Freien Universität Berlin und enger Freund von Rudi Dutschke, liebäugelt mit den Rechten. Vor Weihnachten hatte er vor einer schlagenden Verbindung in München einen Vortrag gehalten und gegen amerikanische Vorherrschaft und „Überfremdung“ polemisiert. Seitdem ist ein Interpretationsstreit ausgebrochen um einen Toten, um Rudi Dutschke. Dabei geht es zu wie in einem Bibelkurs. Dutschkes Schriften werden seziert: Was hat er nun gemeint? Wie hat er es gemeint? Und vor allem: Wer darf ihn für sich in Anspruch nehmen? Rabehl machte seinen Freund schnurstracks zum Vorkämpfer einer nationalrevolutionären Bewegung. Dutschke als geistiger Vater der neuen Rechten? Das wollen die SDS-Veteranen nicht auf sich sitzenlassen. Man stelle klar, „daß sowohl Horst Mahler als auch Bernd Rabehl nicht für den SDS und auch nicht für die 68er Bewegung sprechen“, heißt es im Aufruf eine Unterschriftenliste gegen Mahler und Rabehl. So, als ob der SDS ein Buchverlag oder ein Plattenlabel wäre, der ein Copyright zu vergeben hätte.

Am Tag, als Horst Mahler unter der Deutschlandfahne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft in Berlin auf die Straße geht, sind einige von ihnen zur Gegendemonstration gekommen. Auch Bommi Baumann, der für seine Mitgliedschaft in der Gruppe „2. Juni“ jahrelang im Knast saß, ist dabei. Zwei Einsatzwagen der Polizei sind aufgefahren. Man steht sich gegenüber, das Dutzend SDS-Veteranen und Mahler mit seinen neuen Mitstreitern vom rechtslastigen „Bund Freier Bürger“. Eine Frau mit roten Haaren schreit „du Faschist“, die Polizisten blicken amüsiert. Dann setzt sich der Demozug in Bewegung. Die SDS-Veteranen bleiben zurück. Bis Bommi Baumann sagt: „Kommt, wir gehen ins Café.“