Vier Freunde fürs Leben

In Boygroup-Manier benutzt das Soulquartett Dru Hill zwar keine schmutzigen Wörter, wohl aber seine Lenden  ■ Von Oliver Rohlf

Tell me a bedtime story“, ließ Quincy Jones die Soulwelt Mitte der 70er wissen. Spätestens seit diesem geschmeidigen Imperativ haben unzählige Gesangsformationen diese Aufgabe zur obersten Kür erkoren und strecken ihre Stimmbänder permanent, um andere via Lovesong dazu zu bewegen, sich miteinander in die Horizontale zu begeben. Insgesamt eine schöne Zeremonie. Und so kommunikativ. Dru Hill sind nach Boyz II Men und Jodeci das neue heiße Ding in Sachen Funk & Soul. Laut der Formel „wer knutscht und schmust mit wem zu Funk & Soul bis die Wange glühen und die Lippen brennen“ geraten mittelschwere Balladen zum weltumfassenden Aphrodisiakum. Ab und an ein funky Groove als kleine Lockerungsübung für zwischendurch.

In den USA sind Sisqo, Jazz, Nokio und Woody schon so etwas wie die jüngeren Brüder von Blackstreet. Überall und mit jedem haben sie gespielt und so viele Auszeichnungen eingefahren, daß eine Aufzählung unnötiger Prahlerei gleichkäme – und daher auch oft praktiziert wird. Nur soviel: Dru Hill haben live und in Farbe zum 80. Geburtstag von Nelson Mandela gesungen – nicht allein beim Candlelight-Dinner, sondern gemeinsam mit Stevie Wonder und Chaka Khan vor gut 40.000 Leuten. Das ist natürlich eine Zahl mit relativem Aussagewert, da Südafrika nicht gerade als der wichtigste Absatzmarkt für US-Soul gehandelt wird und Dru Hill zur Weltpolitik nichts zu sagen haben.

Daran ist aber der offensichtlich unbändige Promo- und Marketingaufwand abzulesen, mit dem die vier jungen Männer aus Baltimore gen Musikmarkthimmel gehypt werden sollen. Gerade so, als käme die Funk-Welt ohne Dru Hill und ihr neues Album Enter the Dru nicht mehr aus. Das wäre aber unter musikalischen Gesichtspunkten nicht nur fragwürdig, sondern direkt anmaßend, denn Dru Hill haben den Soul nun wirklich nicht neu erfunden. Vielmehr scheint es, als hätte das Quartett auf einmal ganz viele einflußreiche Freunde gewonnen, die meinen, die Schönsänger würden Markt und Genre gleichermaßen guttun. Umgekehrt natürlich auch.

Das Ganze riecht natürlich stark nach der Boygroup-Strategie, angewandt auf die bislang Boygroup-freie Zone namens Funk. Entsprechend werden auch die einzelnen und unverwechselbaren Charaktere eines jeden „Hügels“ herausgehoben. Demnach verkörpert Sisqo den raw style, Jazz singt den Falsett ebenso klar wie Nokio den Tenor, und Woody schließt den stilistischen Kreis dank seiner gospelartigen vibrations. Vier Freunde fürs Leben, die gemeinsam durch Dick und Dünn ihres noch frischen Liebeslebens gehen und sich am Tag danach von ihren Erfahrungen der Nacht etwas vorsingen. So erfahren wir fast alles über das häßliche Gesicht der Eifersucht, der Magie des „being touched“ und die Schwierigkeiten, die eine ménage à trois so mit sich bringt.

Bezeichnend ist auch, daß die Burschen keine schmutzigen Wörter benutzen dürfen sollen. Befehl vom Management. Als Ausgleich hampeln Dru Hill innerhalb ihrer lendenfixierten Bühnen-Choreographie herum, so richtig mit Bumsbewegungen und in-den Schritt-greifen. „Tough but silk as soul“, so wie das Leben. Nur wo genau sich das abspielt, hat noch niemand herausgefunden.

mit Cappuccino: Das Konzert ist verlegt auf Fr, 26. Februar, 18 Uhr, Sporthalle