Diverse Distanzierungen

Regiewunder nach dem Maulfall: Stefan Pucher inszeniert Comeback, den zweiten Teil einer Trilogie über Gegenwartsbetrachtung  ■ Von Kees Wartburg

Stefan Pucher hat eine Vorliebe für Betrachtungen, die einen Schritt neben die Realität treten. Dazu konstruiert er Bühnensituationen, die eine Distanz vorstellbar machen, wie sie die Wirklichkeit nicht mehr bietet, denn: „Die Gesellschaft, die uns umgibt, ist eine Art Natur geworden, die man nicht mehr kritisch wahrnimmt.“ Das ist so ein typischer Pucher-Satz, eine Setzung, eine verbale Parade, von der man sich mit beifallklatschender Kunst selbst entrückt.

Hört sich doch ganz interessant an. Wer also ist dieser Stefan Pucher? Ein Regisseur? Nur auf den ersten Blick. Vielleicht ein Bastler, der aus dem Theater einen Popsong herstellt? Nur auf den zweiten. Stefan Pucher kommt aus Gießen und ist Jahrgang 1965. Ist er also einer jener neu ausgerufenen Unterhaltungskünstler aus der dort ansässigen Talentschmiede, dem Studiengang „Angewandte Theaterwissenschaften“ von Andrzej Wirth, die Clubkultur in die moralische Anstalt tragen wollen und die gegenseitige Befruchtung von Kulturressorts so selbstverständlich handhaben wie einen Computer? Nicht ganz, nicht wirklich, ein bißchen.

Jedenfalls ist Pucher nach einigen erfolgreichen Theater/Musik-Spektakeln im Frankfurter Theater am Turm, auf Kampnagel (Dream City) und einem vielbeachteten Kurzprojekt auf der documenta X mit der Gruppe Gob Squad als junge Regiehoffnung ans Staatstheater gewechselt und dabei erst einmal ordentlich aufs Maul gefallen. Das war neulich, in Berlin, an der Volksbühne. Da hat er eine tolle Idee fett in die Grütze gesetz. Flashback, so das feine Konzept, sollte ein Rückblick aus der Zukunft in die Gegenwart sein. Alt gewordene DJs, dargestellt von über 70jährigen des Ensembles, scratchten Erinnerungen und Träume, umrankt von Nachrichten, Soaps, Spielszenen und Klamauk. Kam leider alles nicht zusammen. Zu groß, zu autistisch, zu unkonzentriert.

Das sollte der Auftakt zu einer Trilogie über Gegenwartsbetrachtungen sein. Wieder eine tolle Idee. Erst ein Blick aus der Zukunft auf das Heute; jetzt, das heißt, mit dem Stück Comeback, das er in Hamburg inszeniert hat, die Sicht aus der verworrenen Vergangenheit der Grimmschen Märchen, und schließlich, im offenen Foyer des Baseler Theaters, ein Spiel mit Tanz um das Thema Drinnen/Draußen.

Die Ausgangsbasis für den Mittelteil der Trilogie ist günstig. Kleine Bühne, überschaubares Projekt, und außerdem beteiligt sich seine Freundin Meg Stuart, eine der besten zeitgenössischen Choreographinnen, an dem Projekt. Musik wird es wieder geben, Spiel mit Atmosphären, Distanzierungsversuche durch die verschiedensten Stilmittel. Theater im Club, mit Besuch aus unserer Kindheit. Kann spannend werden. Wenn die Distanzierung nicht wieder zum Autismus führt.

Premiere: Donnerstag, 18. Februar, 20 Uhr, Malersaal im Deutschen Schauspielhaus