HVG schluckt Musikfest

■ Wirtschaftsdeputation beschließt Fusion von Musikfest und Glocke / Städtischer Kulturwirtschaftskonzern HVG wird immer mächtiger

Der städtische Kulturwirtschaftskonzern „Hanseatische Veranstaltungsgesellschaft“ (HVG) hat wieder gekreißt und gebar gestern seine jüngste Tochter. Nach einem einstimmigen Beschluß der Wirtschaftsdeputation werden das Musikfest und die Glocke Veranstaltungsgesellschaft zusammengelegt. Zugleich beschloß die Deputation für 1999 bis 2002 eine Erhöhung des Musikfestzuschusses von 1,3 auf rund 1,7 Millionen Mark, der im Expo-Jahr 2000 einmalig um weitere 350.000 Mark aufgestockt werden soll. Der (direkte) Zuschuß an die Glocke soll bei 950.000 Mark jährlich konstant bleiben. Der bisherige Musikfest-Chef, der seit Herbst 1998 für drei Jahre von der Hochschule für Künste beurlaubte Prof. Thomas Albert, soll Intendant des Festivals werden, während die Geschäftsführerin der Glocke, Ilona Schmiel, diese Aufgabe auch beim Musikfest übernimmt.

Laut Beschlußvorlage zieht das Wirtschaftsressort sowohl beim Musikfest als auch bei der im Frühjahr 1997 wiedereröffneten Glocke Erfolgsbilanzen. Doch beim Musikfest, dessen Etat sich seit dem ersten Festival 1991 vervielfacht hat, sind die Organisationsstrukturen demnach nicht mitgewachsen: „In der bisherigen Musikfest Bremen GmbH (an der die HVG bislang mit 25,1 Prozent und der Schiffbauer Peter Lürssen mit 74,9 Prozent beteiligt waren; Anm. d. Red.) bestanden für die Aufgaben Finanzen/Finanzplanung, Controlling und Rechnungswesen deutliche Engpässe.“ Insider hatten schon länger kritisiert, daß das Festival zu spontan geplant werde und deshalb vor allem außerhalb Bremens nicht beworben werden könne. Das eigentlich zur Imagestärkung der Stadt öffentlich geförderte Musikfest lockt mit rund zehn Prozent kaum mehr auswärtige BesucherInnen an als das Stadttheater.

Mit dem einen Wort „wunderbar“ kommentiert Musikfest-Leiter Thomas Albert den Beschluß: „Endlich ist es damit vorbei, daß wir die Zuschüsse erst nach dem Festival bekommen.“ Erst jetzt sei eine langfristige Planung möglich, sagte Albert, dem nachgesagt wird, daß er manchen seiner Stars auch ohne Blick auf die Kosten verpflichtet.

Zurückhaltender als Albert äußert sich Ilona Schmiel. Nach ihrer Auffassung könnten die Klassickonzerte in Bremen durch die neue Konstruktion besser koordiniert werden. Der Staubsaugereffekt des Musikfestes, über den andere Veranstalter geklagt hatten, soll dadurch abgemildert werden, daß das Festival ab 2001 „ganz klar auf den Zeitraum Ende August bis Ende September begrenzt bleibt“ und nicht mehr in die Saison hineinragt. Die oppositionellen Bündnisgrünen stimmten der Vorlage ebenfalls zu. „Es ist eine Finanzsicherungsstrategie“, so Ex-Kultursenatorin Helga Trüpel.

Unterdessen ist der Einfluß der städtischen HVG auf die Bremer Kulturwirtschaft durch den jüngsten Beschluß weiter gewachsen. Neben der Musikfest Bremen GmbH, an der die HVG mit 50,1 Prozent Mehrheitsgesellschafterin werden soll, ist sie Alleingesellschafterin oder beteiligt an folgenden Firmen: Der Glocke Veranstaltungs GmbH, der Messe Bremen GmbH, der Stadthalle, der Bremer Touristik Zentrale (BTZ) und über die BTZ auch an der Bremen Service GmbH, die zunächst vor allem das Musical „Jekyll & Hyde“ vermarktet. ck