Nachgefragt
: „Viele sind gestorben, Schluß mit dem Blutbad“

■ Türkischer Betriebsrat zur Verhaftung von Kurdenführer und PKK-Chef Öcalan

Von den rund 5.000 Beschäftigten der Bremer Stahlwerke sind 800 türkischer Herkunft – 92 davon mit deutschem Paß. Von der türkischen Belegschaft sind fast die Hälfte Kurden,. Die taz fragte einen Betriebsrat* nach der Stimmung innerhalb der türkisch-kurdischen Belegschaft.

taz: PKK-Chef Öcalan sitzt in der Türkei in Haft. Seitdem gab es Selbstverbrennungen, Demonstrationen und teils gewalttätige Proteste von Kurden. Immer wieder wird betont, daß sich daran nicht nur PKK-Anhänger beteiligen, sondern auch nichtorganisierte Kurden, die sich von Europa einfach im Stich gelassen fühlen. Wie ist die Stimmung unter den Kollegen bei den Stahlwerken?

Betriebsratsmitglied der Stahlwerke: Bei den Gesprächen, bei denen ich dabei war, dominierte Freude. Viele sagen, jetzt haben wir vielleicht Ruhe. Schluß mit dem Blutbad. Durch ihn sind viele gestorben – auf beiden Seiten natürlich. Die Leute denken, jetzt wird er vor Gericht eine Strafe bekommen.

Denken so auch die Kurden bei Ihnen im Betrieb?

Ich kenne zwar welche, die der PKK nahestehen – aber ich habe jetzt noch nicht mit ihnen gesprochen. Bei uns sind viele PKK-Anhänger beschäftigt, aber wir leben gut miteinander. Bisher ist nicht einmal ein böses Wort gefallen. Die meisten von uns (nicht-kurdischen Türken; Anm. d. Red.) akzeptieren deren Kampf. Wir denken, sie sind auch ein Stück von uns, die gehören zur Türkei.

Was finden Sie am Kampf der Kurden richtig?

Ich finde, das ist ein Volk für sich, und sie brauchen einen Ort und Rechte. Schon die osmanische Regierung hat Fehler gemacht, die türkische auch. Hätten sie den Menschen Glaubensfreiheit, die eigene Sprache und Sitten gelassen, dann hätten wir die Sache jetzt nicht am Hals.

Viele fürchten, daß das Verfahren gegen Öcalan nicht fair geführt wird.

Natürlich fürchten die Sympathisanten, daß er die Todes-strafe bekommt. Ich glaube das aber nicht.

Was halten Sie persönlich von der Todesstrafe?

Ich finde sie scheußlich und unmenschlich. Aber auch was Öcalan gemacht hat, kann man nicht einfach vergessen.

Was stört Sie an der PKK am meisten?

Daß sie ahnungslose und schuldlose Menschen, die von den Problemen keine Ahnung haben, umbringen.

Was wissen Sie von PKK-Aktivitäten in Deutschland?

Wenig. Ich weiß, sie sammeln Geld. Es wird auch erzählt, daß hier Söhne von PKK-Anführern leben – in Sicherheit, während die anderen an der Front sterben. Das hört sich für mich so an, als wenn die auch gespalten sind.

Die Türkei ist wegen Menschenrechtsverletzungen fortgesetzt in der Kritik. Die Kurden stellen die größte Gruppe der anerkannten politischen Flüchtlinge in Deutschland. Meinen Sie, ein fairer Öcalan-Prozeß könnte das Ansehen der Türkei reparieren?

Ich glaube, er wird nicht getötet. Er ist doch kein einfacher Mensch. Aus meiner Stadt in der Türkei kenne ich viele Kurden, die festgenommen und gefoltert wurden. Sympathisanten. Das weiß ich auch. Aber Öcalan ist auf der Welt bekannt, die Türkei kann mit ihm nicht wie mit anderen PKK-Mitgliedern verfahren. Sonst verliert sie die Glaubwürdigkeit. Aber ob die kurdischen Sympatisanten das verdauen können, weiß ich nicht. Ich hoffe, daß sie jetzt nicht unsere Botschaften und Konsulate überfallen. Wenn jetzt auf der Straße eine kurdische Gruppe Türken überfällt, dann wird's schlimm. Auch bei uns im Betrieb. Dann werden die Türken sich bewaffnen. Fragen: Eva Rhode

*auf Wunsch anonymisiert