Die Nächte mit Romy Schneider sind vorbei

■ In Berlin sterben die Off-Kinos aus. Ein Stück Kinokultur mit cineastischen Programmen geht wohl zu Ende. Gegen den großen Boom der neuen Multiplexe haben sie keine Chance

Wer sich telefonisch über die laufenden Filme des Sputnik-Kinos im Berliner Bezirk Wedding informieren möchte, erlebt einen Programmhinweis der besonderen Art. „Das Sputnik hat sein Programm derzeit ausgesetzt“, hört man da vom Band. „Es finden bis auf weiteres keine Vorführungen mehr bei uns statt.“ Wann das Kino wiedereröffnen wird, sagt die Stimme nicht. Sie schließt aber mit der Hoffnung: „Wenn ihr genug habt von den Multiplexen, spielen wir wieder.“

Die Schließung des traditionsreichen Programmkinos Sputnik, das der Macht der deutschen Kino- Multis wie UIC, Ufa, Warner oder der Cinemax AG von Hans Joachim Flebbe zum Opfer gefallen ist, bildet keine Ausnahme, sondern gehört zur Regel im Off- Kino-Sterben der Hauptstadt. Die Zeit der langen Nächte mit Filmreihen über Ingrid Bergman, Romy Schneider oder Humphrey Bogart, des Jungen Deutschen Films oder mit politischen Dokumentationen scheint endgültig vorbei zu sein. Denn die Movies, entstanden in den 70er Jahren aus cineastischen Initiativen der Off- Szene, finden kaum noch neues Publikum.

Ebenso wie das Sputnik, das ein Kollektiv in den 80er Jahren geführt hatte, brechen andere Off- Spielstätten mit alternativem Charme und anspruchsvollen Programmen am Markt derzeit regelrecht ein. In den vergangenen Monaten räumten in Berlin das Delta- Kino, das Gloria, die Gloriette, die Lupe2 und das Lichtblick das Feld. Und während in den neuen Multiplexen die Abendveranstaltungen ausverkauft sind, laufen anderen ruhmreichen Off-Theatern der Stadt wie dem Movimento oder dem Studio die wenigen noch treuen Zuschauer davon.

Das Sputnik, erzählt ein ehemaliger Geschäftsführer, habe gegen Ende der Spielzeit vor fast leeren Rängen Filme aufgeführt. Die Besucher hätten die harten Stuhlreihen mit den bequemen Plätzen der 19 Multiplex-Arenen am Potsdamer Platz getauscht. Hinzu kämen hohe Mieten und daß sich Verleihe die Filmkunstprogramme mit teurem Geld bezahlen lassen.

Eine Revision der Entwicklung ist nicht absehbar. Denn anspruchsvolles Filmtheaterprogramm, erinnert der einstige Geschäftsführer der Filmbühne am Steinplatz, Wolfgang Fritsche, gehört heute zum festen Geschäftsgebaren etwa von Mulitplex-König Hans Joachim Flebbe. Die Großkinos lockten nicht nur mit Unterhaltungsschinken aus der Traumfabrik Hollywood, sondern setzten gezielt mit „kleinen Filmen in kleineren Sälen“ auf unabhängige Produktionen.

Gestützt wird diese „Overscreening“-Entwicklung durch ein Gutachten von RMC medien consult im Auftrag der Filmförderungsanstalt. Nach deren Berechnungen sollen die Kinozuschauerzahlen in den kommenden Jahren durchschnittlich noch um 35 Prozent auf über 200 Millionen bundesweit steigen. Der Anteil der Multiplex- Besucher, besonders in Berlin, soll danach 80 Prozent betragen. Sogenannten „Nischenkinos“ bleiben dagegen weniger als 10 Prozent – Tendenz fallend.

Der Expansion der Megakinos, so raten die Experten, könne nur wenig entgegengehalten werden. Die hedonistische Kinobesucherwelt pfeife auf die alten Häuser und deren idealistischen, politischen oder cineastischen Anspruch. Gefragt sind gute Sitze, guter Sound und Supertechnik – Erlebniskino pur. Kinos mit Köpfen des Vordermanns im Bild, röhrenden Tonspuren oder muffigen Foyers können da nur dichtmachen – oder umbauen. Der Versuch lohnt sich. Rolf Lautenschläger