Multikulti-Truppe setzt zum Höhenflug an

■ Hertha BSC vor dem Start in die Bundesliga am Sonnabend gegen Dortmund: Ziel ist Europapokal

Jürgen Röber scharrt ungeduldig mit den Hufen. „Es wird Zeit, daß es endlich losgeht“, meint der Trainer von Hertha BSC ungeduldig. Zwei Monate sind vergangen seit dem letzten Auftritt in der Fußball-Bundesliga, der beim 1:2 in Bremen leidlich danebenging. Dennoch präsentiert sich die „Alte Dame“ Hertha vor dem ersten Spiel nach der Winterpause gegen Borussia Dortmund (Sonnabend, 15.30 Uhr) von ihrer schöneren Seite: Platz sechs, der Europapokal lockt, falls die Preußen in den letzten 16 Auftritten der Saison keinen Schwächeanfall erleiden.

Das Match gegen die auf Rang fünf besser positionierten Westfalen wird zum Gradmesser. Hertha- Manager Dieter Hoeneß beharrt weiter darauf, lediglich ein einstelliger Tabellenrang sei in der Endabrechnung 1999 das Maß aller Dinge. Walter Müller hingegen, sein präsidialer Chef, will höher hinaus. Angeheizt vom Chrysler- Coup des Mutterkonzerns, schwärmt Herthas operativer Big Boss von den lockenden Fleischtöpfen der europäischen Champions League inklusive Umwandlung des Vereins in eine profitable Kapitalgesellschaft.

Alles Müller, oder was? Hertha hat über die Wintermonate seine Personaldecke weiter verstärkt, um in der Bundesliga-Höhenluft nicht zittern zu müssen. Mit dem US-Amerikaner Tony Sanneh (Washington) sowie dem von Lokalrivale Tennis Borussia losgeeisten Kroaten Ilija Aracić wurden zwei frische Offensivkräfte erworben. Mit 16 Ausländerin im 30köpfigen Kader befehligt Trainer Röber nunmehr die multikulturellste Mannschaft der Bundesliga.

Um den vom Verband geforderten Anteil an deutschstämmigen Kickern – zwölf Akteure sind Pflicht – überhaupt zu erfüllen, erhielten die Amateure René Renno und Markus Lühring kurzerhand Profiverträge. „Gute deutsche Spieler sind einfach zu teuer“, wird Hoeneß nicht müde, auf die Strukturprobleme des Arbeitsmarktes für hochqualifiziertes Fachpersonal hinzuweisen. Relativ billige Gastarbeiter sollen es richten.

Unter der warmen Sonne Spaniens ließen die Herthaner während der Winterpause ihre Träume vom Europapokal reifen. Testsiege gegen die starken niederländischen Teams aus Arnheim und Heerenveen oder Lokomotive Moskau ließen eine ansprechende Frühform erkennen. Erst das jüngste 1:3 im abschließenden Härtetest beim kroatischen Vizemeister Split ließ ansatzweise Ernüchterung aufkommen, weil ausgerechnet die Aktivposten im Mittelfeld, René Tretschok (Oberschenkelprobleme) und Dariusz Wosz (Grippe) daniederliegen.

Doch Michael Preetz ließ das vergessen: Der lange Stürmer durfte, 21 Jahre nach dem legendären „Ete“ Beer, im Februar 1999 als erster waschechter Herthaner das Nationaltrikot tragen. Auf dem desaströsen USA-Trip von Erich Ribbecks Komikertruppe katapultierte er sich mit seinen zwei Toren zum 3:3 gegen Kolumbien in die Schlagzeilen. Dadurch wirbelte Preetz die Hertha-Hierarchie kräftig durcheinander, in der bis dato Auswahlspieler Dariusz Wosz (allerdings trug die „Zaubermaus“ überwiegend für Bochum sowie die DDR das „Hemd der Ehre“) den Ton angab.

Vorerst dreht sich im Olympiastadion alles um Preetz – das gilt auch für den seines „Super“-Status verlustig gegangenen Nur-noch- Star Wosz. Wie das Team diesen Führungswechsel verkraftet, wird sich gegen Dortmund zeigen. Immerhin ist der verschnupfte Wosz gegen die Borussen genügend abgelenkt, um Preetz nicht allzu böse zu sein, denn mit Ruhrpott- „Heintje“ Andy Möller kommt der Lieblings-Erzfeind der Zaubermaus an die Spree. Jürgen Schulz