Über Plebs und VIPs Von Joachim Frisch

Vive la differénce, das ist französisch. Heißt auf deutsch: Es lebe der Unterschied. Der Besitzer einer Hamburger Discothek findet das auch. In seiner Discothek macht er einen Unterschied zwischen Plebs und VIPs.

Plebs kommt von Plebejer. So haben die alten Römer die armen Leute genannt. Die Plebs sind also die gewöhnlichen Leute. VIP ist englisch und die Abkürzung für Very Important Person, sehr wichtige Person. VIPs sind also berühmte oder reiche oder mächtige Leute oder Leute, die alles zusammen sind.

Zurück zu unsrer Discothek: Hier trennt ein Seil die Plebs von den VIPs. Bewacht wird das Seil von starken Männern, die verhindern, daß die Plebs zu den VIPs gehen. Alle Plebs wollen nämlich zu den VIPs, denn wenn sie schon selber nicht wichtig sind, so wollen sie wenigstens mit den wichtigen Leuten zusammensein und hoffen, daß dann etwas von der Wichtigkeit der VIPs auf sie abstrahlt.

Die Plebs haben nämlich viel Geld dafür bezahlt, mit den VIPs in einem Raum sein zu dürfen. Und wenn die Plebs schon nicht zu den VIPs dürfen, weil das VIP-Seil dazwischen ist, so wollen sie wenigstens die VIPs sehen. Damit sie später ihren Kindern erzählen können, wie sie einmal VIPs wie Dieter Bohlen oder Heiner Lauterbach live und leibhaftig ganz in echt gesehen haben. Das ist genauso wie mit den Safaritouristen, die erst ganz viel Geld bezahlen und dafür dann natürlich auch richtige Elefanten und Löwen sehen wollen und keine Miezekatzen, wie es sie überall gibt.

Ich bin jetzt hier bei den Plebs in der Discothek, und wir halten Ausschau nach Elefanten – quatsch: nach VIPs. Es sind viele VIPs da, ich kenne aber keinen. Auch Dieter Bohlen ist nicht da. Dieter hat heute Geburtstag, und jemand hat erzählt, er würde hier feiern. Stimmt wohl nicht.

Fragen wir mal einen anderen Pleb, ob er die VIPs kennt. Aha. Er sagt, die beiden Blondinen sind Krankenschwesterndarstellerinnen aus Klinikserien, die nachmittags im Privatfernsehen zu sehen sind. Und der Mann, der aussieht wie der neue James Bond, ist ein Partymacher. Er ist wichtig, weil er für Leute, die sich für wichtig halten, gegen viel Geld Champagner, hübsche Mädchen und weißes Pulver besorgt.

Den Männern in den grauen Anzügen gehört eine Werbeagentur. Sie bezahlen andere Leute dafür, Worte wie „Hautirritation“ zu erfinden. Mit diesen Worten und arbeitslosen Krankenschwesterndarstellerinnen drehen sie winzige Filme, die dann in den Pausen der Klinikserien gezeigt werden. Diese Filmchen sollen die Zuschauer davon überzeugen, Rasierapparate zu kaufen. Und die beiden Männer mit den Zigarren verkaufen die Rasierapparate.

Ihr wollt nun sicher wissen, ob es auch woanders VIP-Seile gibt. Noch nicht viele, aber immer mehr. Bald wird es VIP-Regale bei Aldi, VIP-Fahrstreifen auf der Autobahn, VIP-Tresen bei McDonald's, VIP-Bereiche im Arbeitsamt und VIP-Zellen im Gefängnis geben. Dort wird der VIP Konstantin Wecker den Plebs aus den gewöhnlichen Zellen Lieder vorsingen, und die Plebs werden ganz doll klatschen.

So, das war's von den Plebs und den VIPs. Beim nächsten Mal erkläre ich euch, was es mit dem weißen Pulver auf sich hat.