Aufschwung für den Atomexport

Atomausstieg gilt für AKWs, nicht für sonstige Nuklearbetriebe: Die Urananreicherungsanlage in Gronau wird still und leise für den Export ausgebaut  ■ Aus Münster Holger Voskuhl

Während die rot-grüne Bundesregierung mit sich selbst und der Energiewirtschaft um das Ende der Atomkraft in Deutschland ringt, wird im rot-grün regierten Nordrhein- Westfalen kräftig in die Zukunft der Nukleartechnik investiert. Unberührt von allen Ausstiegsszenarien expandiert die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau still und leise weiter. Denn im Ausstiegsszenario der Bonner Koalitionspartner ist die Arbeit dieser Anlage, die hauptsächlich für den Export produziert, nicht erwähnt.

Die Ausweitung von Lagerkapazität und Produktionsmenge steht kurz bevor. Die Betreibergesellschaft Urenco erhielt im September 1998 vom Wirtschaftsministerium in Düsseldorf die bauliche Änderungsgenehmigung, um ihre Produktion von 1.000 Tonnen Urantrennarbeit (UTA) pro Jahr auf 1.800 Tonnen UTA pro Jahr zu steigern. Lediglich ein wasserrechtliches Erlaubnisverfahren – eingeleitet durch die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn – verhindert derzeit noch den erweiterten Betrieb.

Ein zusätzlicher Antrag wurde zwei Tage vor der Bundestagswahl von der Urenco eingereicht: Die Kapazität soll auf 4.000 Tonnen erhöht werden. Mit dieser jährlich produzierten Menge angereichertes Uran könnten über 30 Atomkraftwerke versorgt werden.

In den Koalitionsvereinbarungen von Rot-Grün in Bonn ist nur von den Atomkraftwerken die Rede. Andere kerntechnische Anlagen wurden ausgeklammert. Peter Knitsch, Bundesratsreferent aus dem Umweltministerium in Düsseldorf, erklärt, daß das alte Atomgesetz speziell für Atomanlagen wie Gronau geändert werden müsse, um weitere Anträge der Urenco verhindern zu können. Die erteilten Genehmigungen für die Urananreicherungsanlage seien juristisch in Ordnung.

Das NRW-Wirtschaftsministerium wies aus Anfrage der taz darauf hin, daß die Betreiberfirma im September 1998 nur einen formlosen Antrag gestellt habe, um ihre Produktion auf 4.000 Tonnen zu erweitern. Ein solcher Antrag ziehe aber noch keine Prüfung nach sich. Die Urenco dagegen sieht das Verfahren bereits weiter: Zwar sei der Antrag noch nicht vollständig, das Verfahren sei jetzt aber eingeleitet, erklärte Urenco- Sprecher Manfred Krey. Der formlose Antrag kann noch ein entscheidender Faktor werden. Denn wird Gronau in der geplanten Novelle des Atomgesetzes nicht berücksichtigt, muß der Antrag für den weiteren Ausbau nach dem alten Atomgesetz entschieden werden – ein Ausbau wäre juristisch leichter durchzusetzen.

Die Urenco betreibt eine UAA in Capenhurst (Großbritannien), eine UAA in Almelo (Niederlande) und eine in Gronau. Insgesamt kann die Urenco zur Zeit etwa 3.800 Tonnen UTA pro Jahr produzieren. Sie hat einen weltweiten Marktanteil von 10 Prozent, Deutschland mit seinen 19 AKWs ist nicht der Hauptabnehmer des angereicherten Urans. Nach Aussagen des Geschäftsführers Gustav Meyer-Kretschmer, liegen die Zukunftsmärkte für seine Firma in Asien. Deshalb sollten alle Standorte der Firma ausgebaut werden.

Umweltministerin Bärbel Höhn hat einen anderen Verdacht: Sie vermutet, daß die steigende Produktion in Gronau – zumal auch die UAA in Almelo gerade erweitert wurde – Kapazitäten für neue Atommeiler der nächsten Generationen schaffen soll. Deshalb müsse die Ablehnung der geplanten Erweiterung angestrebt werden.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Werner Bischoff, steht dagegen grundsätzlich positiv zu Gronau. Die UAA habe eine eigenständige Technologie, die beherrschbar sei. Zudem würde die Urenco in erster Linie für den weltweiten Markt produzieren. Die Anlage solle aber in die Energiekonsensgespräche einbezogen werden.

Scharfe Kritik am Ausbau übten die Landtagsabgeordneten von Bündnis 90/ Die Grünen, Siegfried Martsch und Rüdiger Sagel. Sie werfen der SPD vor, daß die bisherigen Genehmigungen zum Ausbau der UAA in Gronau im krassen Gegensatz zu den Koalitionsvereinbarungen im Land NRW und auf Bundesebene stehen. Statt aus der Atomenergie auszusteigen, forciere die Landes-SPD mit Ministerpräsident Wolfgang Clement an der Spitze sogar noch den Ausbau der Atomwirtschaft.