„Bäumchen, wechsel dich“ bei DVU

Die Aussteiger aus der DVU-Fraktion im Magdeburger Landtag planen die Gründung einer neuen rechtsextremen Fraktion. Gute Kontakte zur NPD  ■ Aus Magdeburg Nick Reimer

Vor zehn Monaten waren sie noch die Strahlemänner: Mit 12,9 Prozent der Stimmen gelang der rechtsextremen DVU ein Überraschungssieg bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Jetzt steht die Fraktion vor einem Trümmerhaufen: Vier der sechzehn DVU-Parlamentarier verließen die Partei, vier weitere sollen folgen.

Angefangen hatte der Zerfall mit dem Ausschluß der Abgeordneten Jörg Büchner und Torsten Miksch. „Sie sind nicht mehr tragbar“, erklärte Fraktionschef Helmut Wolf, der den Akt als „Wiederherstellung der inneren Ordnung“ bezeichnete. Werner Kolde und Horst Montag nutzten die Gelegenheit, um der Fraktion ebenfalls den Rücken zu kehren. Die braune Truppe büßt dadurch einen ihrer zwei Ausschußsitze ein.

Gegen den 33jährigen Miksch läuft ein Strafverfahren wegen Tierquälerei. Büchner spitzelte als Mitropa-Kellner seit 1967. Unter dem Decknamen „Olaf Holland“ setzte er an „guten Tagen“ bis zu vier Meldungen ab. Für „ehrliche, gewissenhafte und treue Pflichterfüllung im Ministerium der Staatssicherheit“ wurde Büchner 1975 die Verdienstmedaille in Bronze verliehen. Dem Magdeburger Landtag liegt zwar Büchners 650 Seiten starke Akte vor. Anders als in anderen ostdeutschen Landtagen wurde gegen ihn nicht vorgegangen: Es gibt keinen Stasi-Ausschuß.

Miksch und Büchner stellen ihren Ausschluß freilich anders dar: Sie hätten immer wieder den Führungsstil von Wolf kritisiert. Weil keine Besserung zu erkennen war, hätten sie bekanntgegeben, die Fraktion verlassen zu wollen. Die Parteiführung sei lediglich ihrem eigenen Austritt zuvorgekommen. Schließlich seien die Anschuldigungen seit einem Dreivierteljahr bekannt und seien sie nicht die einzigen, die die Fraktion verlassen.

„Das war kein Solidarakt“, erklärt Werner Kolde seinen Austritt gegenüber der taz. Er sei aus der Fraktion ausgetreten, weil er weder mit dem Führungsstil „des Herrn Wolf“ noch mit der Politik einverstanden sei. Ausländer und Asyl – es gebe in der DVU-Fraktion praktisch nur diese zwei Themen. „Eine solche Politik ist absoluter Schnulli“, so Kolde. Viel wichtiger sei beispielsweise die Arbeitsmarktpolitik. Schließlich gebe es in Sachsen-Anhalt nur 1,8 Prozent Ausländer, aber bundesweit die höchste Arbeitslosenquote. Kolde: „Der Fraktion fehlt es an Politikverständnis.“

Experten sehen vor allem im militanten Führungsstil von Fraktionschef Wolf den Grund für die Absetzbewegungen. Wolf, der als verlängerter Arm des Münchener Parteichefs und Multimillionärs Gerhard Frey gilt, beschimpfte etwa die Regierung als „Höppner- Regime“ und sprach von „Asylperversion“. Auch die mangelnde innerparteiliche Diskussionskultur stieß zunehmend auf Kritik. „Das Motto lautet: Kein Knatsch in der Familie. Vieles wird nicht diskutiert“, so Miksch. Ein ähnliches Bild war in den DVU-Fraktionen in den Länderparlamenten Bremens und Schleswig-Holsteins zu beobachten, die 1993 zerfielen.

Miksch kündigte unterdessen an, daß vier weitere DVUler noch in dieser Woche die Fraktion verlassen werden, um eine neue Fraktion – dazu sind fünf Abgeordnete nötig – zu bilden. Ein solcher Schritt sei nur eine Frage der Zeit und könne etwa in drei Wochen geschehen, sagte Miksch. Die neue Fraktion solle zunächst unabhängig arbeiten. Er habe aber schon seit langem gute Kontakte zur NPD und werde diese auch weiter pflegen. Bereits am vergangenen Donnerstag hatten sich die acht bei einem konspirativen Treffen auf dieses Vorgehen geeinigt.

Dem widersprach Kolde. „Ich stehe für eine zweite rechtsextreme Fraktion in Sachsen-Anhalt nicht zur Verfügung.“ Nicht nur, daß die „menschliche Chemie untereinander ein solches Experiment gar nicht zuläßt“. Den Ausgetretenen fehle es auch an politischer Substanz. „Bei 16 Abgeordneten konnte man daß ganz gut überspielen“, so Kolde.