Kommentar
: Tote einkalkuliert

■ Die kurdische Arbeiterpartei PKK ist auf dem Weg in die völlige Isolation

Noch am Dienstag abend hatte Bundesinnenminister Otto Schily gehofft, die mäßigenden Kräfte innerhalb der PKK würden die Proteste im Zaume halten – oder doch in einem Rahmen, mit dem ein Rechtsstaat leben kann. Die Besetzungen griechischer Konsulate waren so lange hinzunehmen, wie sie zeitlich begrenzt und ohne Geiselnahme durchgeführt wurden. Seit gestern nachmittag aber hat sich die Lage dramatisch verändert. Auf makabre Art und Weise gab die Berliner Republik ihren Einstand vor dem Hintergrund internationaler Konflikte. Drei Kurden wurden von israelischen Sicherheitskräften beim Versuch einer Konsulatsbesetzung erschossen. Es spricht vieles dafür, daß die Besetzungsaktion von PKK-Kadern gezielt geplant wurde. Sie zumindest wußten, daß eine israelische Einrichtung nicht mit einem griechischen Konsulat zu verwechseln ist. Daß hier andere Sicherheitsmaßstäbe gelten, haben die PKK-Kader in ihrer bekanntermaßen kalt berechnenden Art miteinkalkuliert. Das rechtfertigt nicht die Todesschüsse, erklärt aber die israelische Reaktion.

Zu fragen hat sich auch der Berliner Innensenator. Wäre es nicht ratsam gewesen, nach den ersten Gerüchten über eine Beteiligung des israelischen Geheimdienstes an der Entführung Öcalans das Konsulat weiträumig abzusichern? Der Protest der PKK-Anhänger droht jetzt eine Grenze zu überschreiten. An sich war schon mit den versuchten Selbstverbrennungen das Maß überschritten. Nun könnten Bombenattentate folgen. Allen voran drohen Racheakte gegen israelische Einrichtungen – auch wenn die Regierung in Jerusalem nachdrücklich beteuert hat, nicht in den Fall Öcalan verwickelt zu sein. Dazu muß es nicht kommen, wenn die PKK sich dem kriegerischen Kalkül ihrer Hardliner verweigert. Doch gibt es überhaupt noch eine geschlossene PKK-Führung? Die Falken setzen auf eine Strategie, in den westeuropäischen Operationsgebieten den Druck durch gewaltsame Aktionen über die Regierungen der EU an die Türkei weiterzugeben. Das aber ist eine Strategie, die bereits in den vergangenen Jahren nicht aufgegangen ist. Als sich vor einigen Jahren PKKler auf deutschen Autobahnen verbrannten, folgte das Verbot ihrer Organisation. Der Krieg in der Türkei ging weiter. Und die ohnehin schon zuvor in der bundesdeutschen Gesellschaft isolierte PKK war isolierter als je zuvor. Severin Weiland