Anstellung als Alibi-Deutscher

■ Der Hamburger SV hat seinen Kader für die kommende Saison beinahe komplett zusammen

Von einem Arbeitsplatz, wie Thomas Doll ihn hat, kann man eigentlich nur träumen. Sein Gehalt wird ihm regelmäßig überwiesen, aber arbeiten, sprich im Mittelfeld des Hamburger SV die Fäden ziehen, muß er nicht. Ganz so extrem darf man die Angelegenheit des Dauer-Rekonvaleszenten nicht sehen, denn natürlich stellt er seine Arbeitskraft seinem Verein zur Verfügung. Aber auf dem Platz hat Doll in dieser Saison verletzungsbedingt noch keine Leistung gezeigt.

Das Schönste aber: Es könnte sein, daß der Rückkehrer auch in der kommenden Saison für sein Nichtstun bezahlt wird. Der HSV hat nämlich zu wenig Deutsche in seinem Team. Der Deutsche Fußball-Bund darf sich zwar seit dem Bosman-Urteil nicht mehr in die Mannschaftsaufstellungen einmischen, verfügte jedoch, daß in jedem Kader eines Bundesligisten mindestens zwölf Spieler mit deutschem Paß stehen müssen. Unter den 22 Lizenzspielern, die bereits jetzt einen Vertrag für die kommende Spielzeit haben, sind bislang erst zehn Deutsche. Gut möglich also, daß Doll mehr oder weniger pro formal weiterbeschäftigt wird.

Bereits heute steht der Volkspark-Verein auf der Kippe. Die 25 Profis, mit denen der HSV ab heute in die Rückrunde startet, kommen aus 14 Ländern, und mit 12 deutschen Kickern ist der Kader genau am Limit. Auch Frank Pagelsdorf hat diese Entwicklung erkannt. „Klar ist die Zielsetzung, den Ausländeranteil nicht zu erhöhen, sondern eigentlich zu reduzieren“, kündigte Trainer an. „Ich glaube, daß gerade bei uns deutsche Talente eine sehr, sehr große Chance haben, wenn wir sie denn bekommen“, meinte Pagelsdorf, „und was völlig untergeht, ist, daß beim HSV mit Hertzsch und Ernst zwei deutsche U-21-Nationalspieler spielen. Ich denke, daß wir eine exzellente Nachwuchsarbeit betreiben.“

Da gehen die Meinungen allerdings stark auseinander. Zur Zeit spielt bei den Hanseaten niemand, der aus der eigenen Jugend kommt, und von den Amateuren konnte sich bislang nur Christof Babatz einigermaßen durchsetzen. Und den eingekauften Jungspunden geht es ähnlich. Dem im vergangenen Sommer von Hannover 96 abgeworbenen 19jährigen Fabian Ernst zum Beispiel, der als eines der größten Talente im Lande gilt, wurde im Herbst mit Nico Jan Hoogma zunächst ein niederländischer Libero vor die Nase gesetzt. Nun verknappt der Moldawier Alexander Kurtijan als Nebeneffekt auch die Plätze im Mittelfeld. Gleichwohl sieht Pagelsdorf die Entwicklungsmöglichkeiten nicht beschnitten: „Fabian ist jemand, auf den wir auf jeden Fall in Zukunft bauen. Deswegen haben wir ihn geholt. Es geht allein darum, ob er die Leistung bringt. Im Moment hat er die Grippe.“

Darum fällt er auch heute abend (20 Uhr) im ersten Bundesligaspiel nach der Winterpause gegen den VfL Bochum aus. Ein weiterer Youngster, Thomas Gravesen, wird ebenfalls nicht mit von der Partie sein. Der Däne verletzte sich am vergangenen Sonntag im Mannschaftsbus auf dem Weg zur Toilette am Knie. Der moldawische Nationalspieler Alexander Kurtijan soll als neuer Ideengeber im Mittelfeld die in der Vorrunde aufgetretenen spielerischen Mängel beseitigen helfen und vor allem Torjäger Anthony Yeboah künftig mit Vorlagen füttern.

Weitere Faktoren stimmen Pagelsdorf gedämpft optmistisch: „Ich bin sehr zufrieden mit der Vorbereitung, auch wenn die Spiel-Ergebnisse dem ein bißchen entgegen stehen. Die Mannschaft ist körperlich in gutem Zustand.“ Verschiedene Spieler hätten in ihrer Entwicklung einen Sprung nach vorn gemacht.

Eberhard Spohd/lno