Durchs wilde Schurkistan Von Wiglaf Droste

In Daniel Cohn-Bendit ist die Blähung Mensch geworden – Mensch im Sinne von Medium: Cohn-Bendit ist ein Zombie, ein Untoter, der zum Leben erst erwacht im Klack- Klack der Fotoapparate. Ohne äußere Aufmerksamkeit existiert Cohn-Bendit gar nicht. Sein Verstand ist schwach, sein Geist ist wirr, aber er hat Instinkt: Er versteht es, sein Gesicht zur rechten Zeit am rechten Ort in die rechten Kameras zu halten, ganz zeitgemäß begabter Politiker.

Entsprechend groß war die Freude des simpel strukturierten, ambitionierten Mannes, als er zwischen Deutschen und Kurden vermitteln durfte. Extra von Paris hatte man ihn nach Frankfurt eingeflogen. Fast hätte er, wie er da fast platzte vor Kleinejungenstolz auf sich selbst, etwas Anrührendes an sich gehabt, aber dann machte er den Mund auf. Den Kurden, die bei freiem Geleit abziehen durften, strich er über den Kopf, und sein Gesichtsausdruck sagte: Ich, der kleine schlichte König, habe wieder alles richtig gemacht.

Spätestens als Cohn-Bendit auftauchte als Nebenfigur in der Affäre Öcalan, wußte man: Jetzt schlägt die Stunde der Schmierlappen aus Schurkistan. Einige davon waren schon zuvor aufgetaucht: Öcalan selbst, der krude Kurde mit dem an Saddam Hussein gemahnenden Air eines gutgelaunt Todesurteile unterschreibenden und dabei grinsenden Herrenfriseurs; der nicht minder ölige türkische Ministerpräsident Ecevit, der sich bei seinem Schauprozeß gegen Öcalan internationale Beobachter ebenso verbittet wie den Hinweis auf jedwedes Menschenrecht; vermummte türkische Sicherheitskräfte, die im Flugzeug den gefangenen Öcalan filmen, wie er ihnen ausgeliefert ist und die sich triumphierend gegenseitig abklatschen; türkische Frauen, die Alice Schwarzers Forderung nach mehr Frauenrechten für mehr rechte Frauen in die Tat umsetzen, indem sie eine auf die Straße geworfene Öcalan-Puppe zertrampeln, und Kurden mit Hang zu medienorientierter Selbstanzündung. Der private Freitod mag eine respekteinflößende Sache sein; für Menschen, die sich, wie einst der Zonenpfarrer Brüsewitz, öffentlich selbstverbrennen wollen, habe ich nichts übrig, nicht einmal zehn Pfennig für Streichhölzer.

Die Rolle des unangenehmsten Parts in dieser deprimierenden Angelegenheit aber beanspruchen die Deutschen für sich: Mehrere Kurden wurden in Berlin erschossen, als sie versuchten, das israelische Konsulat zu stürmen. Die wahren Opfer aber, wie hätte es anders sein können, sind wieder einmal die Deutschen. Sie benehmen sich, wie wenn sie gerade wieder einen Ausländer totgeschlagen haben: Sie zerfließen vor aggressivem Selbstmitleid. Und fangen kollektiv an zu schreien, was Nazis wie Edmund Stoiber, Peter Boenisch und Horst Mahler in ihrer jeweiligen Diktion vorwegdeklamieren: Deutschland den Deutschen, Ausländer raus! Während Leute wie Gerhard Schröder und Otto Schily ergänzen: Aber nur streng rechtsstaatlich!

Der Wunsch, die vielbeschworene kurdische Kultur, die vor allem aus Jodeln in Pluderhosen besteht, nachhaltig zu unterdrücken, ist aus ästhetischen Gründen verständlich; nicht das geringste Recht dazu allerdings haben die deutschen und türkischen Nationalisten mit ihrer Wagenwasch- und Hitlergrüßkultur.