Castros Kicker suchen Anschluß

Kubas Fußballspieler sollen auch durch Aufenthalte im Ausland Anschluß an das internationale Niveau schaffen. Auf der Insel wird der Sport immer populärer  ■ Aus Havanna Knut Henkel

Vom Bonner SC hat Lázaro Molina noch nie etwas gehört, doch in Deutschland zu spielen könnte sich der Nachwuchsspieler des derzeitigen kubanischen Meisters Ciudad Habana schon vorstellen. „Ich kenne den europäischen Fußball bereits ein wenig, denn ich habe einige Monate mit dem Nachwuchs des PSV Eindhoven trainiert“, erklärt er stolz. „Das war eine Supererfahrung, bei der ich viel gelernt habe“, erzählt der 20jährige, der in der kubanischen Meisterschaft mit guten Leistungen zu überzeugen wußte. In Eindhoven konnte er sich im Fernsehen auch einige Bundesligapartien anschauen, doch neu für ihn ist, daß es eine vierte Liga in Deutschland gibt, in welcher der Bonner SC kickt – jener Klub, der mit Kuba die zeitweilige Verpflichtung kubanischer Fußballer in die Wege geleitet hat. „Ich weiß nicht, wie der Spielbetrieb in Deutschland abläuft, aber sicherlich gibt es für uns da einiges zu lernen“, ist sich Molina sicher.

Ähnlich wie Lázaro denkt sein Mannschaftskollege José Gramenzy: „Uns fehlt es an Spielpraxis, denn nach der kubanischen Meisterschaft, die Ende Dezember endet, haben wir fast fünf Monate Leerlauf“, erklärt José. „Im Ausland zu spielen, wäre daher eine ideale Lösung für uns.“ Der 26jährige Innenverteidiger wäre einer, der die Defensive des Bonner SC verstärken könnte, und er ist im Gegensatz zu Lázaro Molina in einem Alter, in dem er reisen dürfte. Laut dem kubanischen Parteiorgan Granma sollen nämlich nur Spieler, die älter als 25 Jahre sind, für längere Zeit ins Ausland gehen dürfen.

Weshalb dies so ist, weiß auch William Bennett, der Coach der Nationalequipe, nicht zu beantworten. Er begrüßt jedoch den Pragmatismus, der vom kubanischen Sportinstitut (INDER) seit einiger Zeit an den Tag gelegt wird. „Wir müssen die Möglichkeiten neu ausloten, um unseren Fußball zu verbessern. Wir haben nicht mehr die Möglichkeiten der achtziger Jahre, als wir eng mit den sozialistischen Fußballnationen zusammenarbeiteten. Uns kommt natürlich entgegen, daß das internationale Interesse am kubanischen Fußball zunimmt“, freut sich Bennett.

Spielerbeobachter wie Javier Soleo, der unter anderem für Real Madrid tätig ist, aber auch dessen Kollegen aus Frankreich haben sich bereits vor zwei Jahren in Kuba umgeschaut und erste Kontakte geknüpft. Zu einem Deal ist es bisher zwar nicht gekommen, aber einige Vereine wie Olympique Marseille halten den Kontakt zur Zuckerinsel. So haben die Verantwortlichen des französischen Klubs die kubanischen Junioren für den März zu einem Turnier nach Marseille geladen, an dem neben den Gastgebern auch die Junioren vom VfB Stuttgart und Atlético Madrid teilnehmen werden. Für Bennett ein Schritt in die richtige Richtung. Der Ex-Nationalspieler macht sich bei jeder Gelegenheit für die Nachwuchsförderung stark: „Da liegt ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir haben ein Turnier für die Kleinen, das Torneo Los Caribitos, aus der Taufe gehoben, das jeden Samstag in der Ciudad Deportiva stattfindet.“ Daran nehmen mehr als 20 Jugendmannschaften teil, die technisch und taktisch geschult und mit dem internationalen Niveau über Videos vertraut gemacht werden.

Die ersten Früchte dieser Arbeit kann Bennett schon ernten, denn Fußball ist so populär wie nie. Einen großen Anteil daran hat auch die Entscheidung, Fußball in den Kreis der Basissportarten an den Schulen aufzunehmen. Talente werden nun systematisch gesichtet und von ausgebildeten Trainern betreut. Doch auch auf der Straße hat sich der Fußball durchgesetzt. Wo früher nur Baseball, der kubanische Nationalsport, gespielt wurde, sieht man nun Kinder und Jugendliche kicken. Immer mehr Nachwuchsspieler drängen in die Klubs, um es Stars wie Manuel Bobadilla oder Osmin Hernández, der bereits eine Einladung zum Probetraining bei Olympique Marseille erhielt, nachzutun. Zwei von ihnen, Andres Roldán und Lázaro Molina, haben sich unter den Fittichen von Bennett, der in Personalunion die Mannschaft von Ciudad Habana und das Nationalteam coacht, gemausert und im Team des Meisters durchgesetzt. Roldán gehört zudem neben Liván Livén und Armando Cruz zu den neuen Gesichtern in der Nationalequipe.

Deren Trainer weiß, was er will: „Mittelfristig wollen wir auf Platz 48 der Fifa-Rangliste vorstoßen. Das geht allerdings nur, wenn wir mehr internationale Erfahrung sammeln, Turniere bestreiten, unsere Nachwuchsarbeit intensivieren und uns weiterentwickeln“, sagt William Bennett. Angesichts des Fußballbooms in Kuba muß er sich um den Nachwuchs kaum Gedanken machen, in puncto Spielpraxis auf internationalem Niveau muß er seinen Kickern allerdings noch die eine oder andere Tür öffnen. Doch auch in diesem Bereich sind die Weichen gestellt, wie Manuel Zayas von Cubadeportes, der zentralen kubanischen Sportvermarktungsagentur, weiß: „Die grundsätzliche Entscheidung ist gefallen – die Spieler dürfen ins Ausland. Wie die Details aussehen, wird sich von Fall zu Fall zeigen. Meines Wissens sind es nicht 15 kubanische Spieler, die in Bonn spielen sollen, sondern wesentlich weniger.“ Es würden 15 Spieler nach Bonn reisen, um dort ein Freundschaftsspiel zu absolvieren. „Danach kann sich der Bonner Klub diejenigen aussuchen, die ins Mannschaftsgefüge passen“, sagt Zayas.

Wie und ob der spektakuläre Deal mit dem Bonner SC zustande kommt, wird sich spätestens im Juni zeigen. Doch bis dahin muß der Bonner Verein erst einmal mit den vorhandenen Spielern den Klassenerhalt schaffen und die Finanzen ordnen. Mit einem Verbandsligisten werden die Fußballfunktionäre aus Kuba schwerlich vorliebnehmen – zumindest wenn es nach Trainer Bennett geht: „Wir wollen schließlich eine Fußballnation werden.“