Zwischen den Rillen
: Die Tugend der Entscheidungslosigkeit

■ Rettet den Song (deutsche Version)! Ja König Ja, Geschmeido, Schwermut Forest

Es scheint, als hätten sich in Indie-Deutschland alle mit Blumfelds Jochen Distelmeyer abgesprochen: Laßt uns den Song retten und wieder Worte zum Klingen bringen, laßt uns die elektronisch produzierte Musik und ihre Sprachlosigkeit über Bord werfen. Doch so einfach durchbricht man auch im Indie-Land nicht mehr die Vorherrschaft der sogenannten „Tracks“: „Und meine Freunde von der Instrumentalmusik, sie schau'n mich an und üben Fundamentalkritik“, singen die Münchner Schwermut Forest auf ihrem zweiten Album, das sie „Sort Of“ getauft haben. Eine Art von, tja, was denn nun? Schwermut Forest wollen sich konsequenterweise nicht entscheiden. Der Zwitter als Programm, die Entscheidungslosigkeit als Tugend. Selbst wenn gleich im ersten Song, einem Instrumentalstück, Klänge ertönen, die man schon x-mal auf Platten von Postrock-Ikonen wie Tortoise gehört zu haben meint. „For America“, so der Name des Songs, gibt die Stimmung dieses Albums vor: Ein zartgrauer Schleier liegt über dieser Musik, sie schwingt ruhig durch die Hinterzimmer von Postrock und Pop und strahlt eine eigenartige Melancholie aus.

Mit dem Transport von Inhalten via lyrics ist das so eine Sache: Was noch sagen, wo scheinbar alles gesagt ist, das Ich sich im Cyberland zu verlieren droht? Da fällt es schwer, den kleinen politischen Widerstand über Popmusik zu verfolgen. Zwei „Protestsongs“ hat man – laut Info – immerhin auf dem Album „versteckt“. Die will die Band (ihre Plattenfirma?) gar nicht groß herausstellen, die sind auch mehr eine Art von: „Aggressionen in Späßen sind wie Kleider, wenn sie schlecht säßen, sie würden den guten Eindruck vermiesen, aber so kann man von den Schwächen anderer nutznießen“. Ein „Nieder mit den Umständen“, wie es der gute Jochen, noch im Bett neben seiner Freundin liegend, ausruft (wie immer er das meint), findet sich hier nicht. Richtig wütend wird der Schwermut-Sänger erst, als er, begleitet von ein paar diesmal strammen Akkorden, den Typen disst, der immer die Zukunft der Rockmusik sieht und dies dann despektierlich in „Zukunft von was“ umtitelt.

Mit dieser Zukunft und dem Was können auch die Freiburger Geschmeido nichts so recht anfangen: „Und die ganze Scheißrockmusik, die uns verfolgt bis in den Schlaf, I just don't know what it means“. Wenn man schon mit der Gitarre in der Hand und vielen Worten im Mund kommt, muß halt wenigstens ein Feind her, Rockmusik im allgemeinen, fiese Parzellierungen im besonderen. Wie Schwermut Forest zeichnet auch Geschmeido eine fast lethargische Gelassenheit aus, ihre Stücke ziehen angenehm leicht und entspannt vorüber, von großen Gesten keine Spur.

Hier regiert eher die große Ratlosigkeit angesichts anderer Zukünfte, ohne das sich Geschmeido deswegen aber ins Höschen machen würden: „Oh, Mutter, Mutter, streich beidseitig Butter auf die Pausenbrote, ich habe in Zukunftsforschung eine schlechte Note, so oder so“, heißt das bei ihnen ganz im Sinn von stabilen Generationsverträgen. „Zwischen den Mahlzeiten“, heißt das Geschmeido- Debüt, und darauf findet man die vier Jungs aus Freiburg in herrlich postpubertären Zwischenzeiten: Dort, wo die Tage nie aufhören und man sich fragt, wie das bloß geht mit diesen langen Tagen, die man sich teilt, „und diesen Hang zum Phlegma sowieso und die Hilfsmittel, die er mag“? Auch wenn sich das anders liest: Geschmeido sind genauso unlarmoyant wie frei von Humor, und sie wissen, daß diese Zustände irgendwann ein Ende haben.

Ja König Ja aus Hamburg hingegen scheren sich da um gar nichts mehr. Daß der Körper maschinellen Zuwachs bekommen hat, haken sie flott im ersten Song ihres mittlerweile dritten Albums „Tiefsee“ ab, um dann mit allen zur Verfügung stehenden Instrumenten wie Cellos, Banjos, Orgeln, Gitarren und Xylophonen ganz locker über Frankreichfahrerkoller, Tuberkulose oder Erfahrungen mit Bob Dylan zu singen. Voll das Leben, ganz profan. Wo Geschmeido und Schwermut Forest noch auf der Suche nach innerer Stabilität sind, sind Ja König Ja offensiv locker. Manchmal bekommt man den Eindruck, die machen sich über sich und ihre Hörer lustig. Das macht aber Spaß, schon beim ersten Hören stimmt man in ihren Refrain: „Holt den Mann aus dem Wasser, holt das Wasser aus dem Mann“ ein und freut sich auf den nächsten Neuschnee oder gleich auf den Frühling: „Der Rasen ist gemäht, der Zaun ist repariert, und so vermute ich, daß hier nichts mehr passiert“, singen sie, ohne resignativ zu klingen, denn schließlich ist da „noch im Busch das Loch durch das ich seh', wie du so lebst“. So ist das, auch Ja König Ja wollen nicht an den Ort, wo sich Hase und Karnickel gute Nacht sagen. Aber ein Rekurrieren auf „Song vs. Track vs. Rock vs. sonstwas“-Diskurse geht ihnen ab, und vielleicht ist das die beste aller Möglichkeiten, um sich für das nächste Popjahrtausend zu wappnen. Gerrit Bartels

Schwermut Forest: „Sort Of“ (Kitty Yo/Efa); Geschmeido: „Zwischen den Mahlzeiten“ (Community/Virgin); Ja König Ja: „Tiefsee“ (Indigo)