Intervention im Todestrakt

Zwei Deutsche sollen in Arizona hingerichtet werden. Bonns Botschafter ringt um Begnadigung – ohne Erfolg  ■ Von Peter Tautfest

Washington (taz) – „Ich bin nicht der Papst.“ So faßte der deutsche Botschafter in Washington, Jürgen Chrobog, das Ergebnis seiner Reise nach Arizona zusammen, wo er sich für die beiden zum Tode verurteilten Deutschen Karl und Walter LaGrand eingesetzt hatte. Er sprach damit den Erfolg des Papstes an, der bei seinem Besuch in St. Louis im Februar die Begnadigung des Mörders Darrell Mease durch den Gouverneur des Bundesstaates Missouri, Mel Carnahan, erwirkt hatte.

Seit 17 Jahren sitzen die Gebrüder LaGrand in Arizona im Gefängnis. Kurz nach 8 Uhr morgens waren sie am 7. Januar 1982 mit Spielzeugpistolen in die Valley National Bank in Marana eingedrungen und wollten den 63jährigen Bankdirektor Ken Hartsock zwingen, den Safe zu öffnen. Der kannte aus Sicherheitsgründen nur die halbe Zahlenkombination, woraufhin die Brüder ihn und eine Angestellte in sein Büro drängten, beide fesselten, schlugen und mit einem Brieföffner auf Hartsock einstachen. Der Bankdirektor erlag seinen Stichverletzungen.

Karl und Walter LaGrand sind Kinder einer Deutschen und eines amerikanischen Soldaten. Sie leben seit ihrem fünften bzw. sechsten Lebensjahr in den USA und hatten eine schwierige Kindheit. Nach deutschem Staatsbürgerschaftsrecht sind sie Deutsche.

Deutsche Behörden wurden auch benachrichtigt, aber erst 1992, als der Fall schon verhandelt und das Urteil gesprochen war. „Hätten wir früher von dem Fall gewußt,“ erklärte der deutsche Botschafter, „hätten wir Zuschüsse für einen besseren Anwalt bezahlt.“ Staatsanwaltschaft und das Gericht Arizonas erkannten mildernde Umstände nicht an, „ein besserer Anwalt hätte geltend machen können, daß die beiden zunächst nur mit einer Spielzeugpistole bewaffnet, also ohne Tötungsvorsatz die Bank betreten hatten. Das Einstechen auf den gefesselten Bankdirektor hätte auch als Panik- und Kurzschlußreaktion interpretiert werden können“, sagte Chrobog.

Für die beiden Deutschen hatte sich bei Bill Clinton schon Bundeskanzler Gerhard Schröder eingesetzt, als dessen persönlicher Botschafter Chrobog nach Phoenix reiste. Außenminister Joschka Fischer und Justizministerin Herta Däubler-Gmelin hatten sich in Briefen an ihre amerikanischen Counterparts Madeleine Albright und Janet Reno gewandt.

Ausländische Interventionen haben – mit Ausnahme der Fürbitte des Papstes – bisher bei amerikanischen Gouverneuren, die über die Vollstreckung von Todesstrafen das letzte Wort haben, keine Wirkung gehabt. „Ich habe mir lange überlegt, was ich sagen sollte,“ berichtete Botschafter Chrobog, der weiß, daß Konfrontation und der Verweis auf die Unmenschlichkeit der Todesstrafe bei amerikanischen Gesprächspartnern wenig nützt. Er wies auf den Formfehler der Behörden Arizonas hin, die nach der Wiener Konvention das deutsche Konsulat hätten benachrichtigen sollen, und darauf, daß die beiden, die zur Tatzeit 18 und 19 waren, in Deutschland nach dem Jugendstrafrecht zu weniger als der Höchststrafe verurteilt worden wären.

Karl LaGrand, der jüngere der beiden Brüder, hat sich im Gefängnis zu einem Mustergefangenen entwickelt, der jede Fortbildungsmöglichkeit genutzt, dabei Kenntnisse eines Anwaltsgehilfen erworben und sich mit seinem Wissen für Mitgefangene eingesetzt hatte. „Ist das nach 17 Jahren noch der gleiche Mensch, der die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat?“ fragte er und fügte hinzu: „Ich hoffe, ich habe die Gouverneurin nachdenklich gestimmt.“ Auch die Gouverneurin kann nur eine Begnadigung aussprechen, wenn der Gnadenausschuß, der einen Tag vor der angesetzten Hinrichtung zusammentritt, eine entsprechende Empfehlung ausspricht. Die Vollstreckung des Urteils ist für den jüngeren Bruder auf den 24. Februar und für den älteren auf den 3. März angesetzt. Am 23. Februar reist der deutsche Botschafter erneut nach Arizona, um vor dem öffentlich tagenden Gnadenausschuß zu sprechen. Er wird begleitet vom deutschen Generalkonsul in Los Angeles, Jean Pierre Rollin. Auch die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Claudia Roth, Mitglied des Menschenrechtsausschusses sowie Pressevertreter aus Deutschland werden anwesend sein. Die beiden Todeskandidaten haben sich als Hinrichtungsart für die Gaskammer entschieden. In Arizona sitzen zwei weitere Deutsche im Todestrakt.