■ Mit Stellenabbau auf du und du
: Kleine halten dagegen

Berlin (taz) — Da war nichts zu machen. Auch wenn Konzernchef Heinrich von Pierer auf der gestrigen Hauptversammlung der Siemens AG in München mehrfach versicherte, die Mitarbeiter müßten sich „nicht um ihre Arbeitsplätze sorgen“, blickten die anwesenden Beschäftigten doch keineswegs weniger ungläubig drein. Rund 50 Geschäftsfelder und 60.000 der weltweit 416.000 Stellen werden im Rahmen des Konzernumbaus ausgegliedert, der Siemens in zwei Jahren an die US-Börse bringen soll, darunter so verlustträchtige Bereiche wie die Halbleiterfertigung. Gleichzeitig wollte sich von Pierer eine gut gefüllte Kriegskasse für mögliche Unternehmenszukäufe genehmigen lassen. Man müsse sich eben damit abfinden, daß ein Arbeitsplatz bei Siemens oder einem anderen Großunternehmen nicht mehr als ein Mindestmaß an Sicherheit biete, hieß es.

Tatsächlich sind die Konzerne längst nicht mehr die Stütze des Arbeitsmarktes. Zwar haben sie in der Regel relativ gute Haustarifverträge und sorgen damit dafür, daß die Arbeits- und Rahmenbedingungen für die Beschäftigten über dem Standard liegen, dafür waren sie zuletzt aber auch beim Stellenabbau immer ganz vorne dabei. Nach der jüngsten Statistik der Bundesanstalt für Arbeit über die „Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“ nach Betriebsgrößen gehen 580.000 der 665.000 Arbeitsplätze, die von 1996 bis 1998 in Deutschland gestrichen wurden, auf das Konto von Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten. Inzwischen arbeiten dort nur noch knapp 23 Prozent der 27 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. 280.000 Stellen, ein Viertel aller dortigen Arbeitsplätze in Großbetrieben, gingen alleine in Ostdeutschland verloren. Als Grund benennt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, das die Zahlen der Bundesanstalt analysierte, „den Wettbewerbsdruck durch die Globalisierung“, der bei großen Unternehmen „viel unmittelbarer zu spüren“ sei.

Aber auch die Zahl der Arbeitsplätze in mittelständischen Unternehmen mit 10 bis 499 Beschäftigten ging um rund 145.000 zurück. Nur kleine Betriebe, in denen nicht mehr als 9 Leute arbeiten, konnten zulegen. Sie schufen mehr als 60.000 neue Jobs, 80 Prozent davon im Osten. Hintergrund dieses Beschäftigungserfolgs sind aber nach Einschätzung des IW nicht in erster Linie Unternehmensgründungsprogramme, sondern vor allem das Outsourcing der Großunternehmen und „Gesundschrumpfungsprozesse“ beim Mittelstand. bw