Späte Vergangenheitsbewältigung

150 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei bekennt sich Frankreich zu seinen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aber Entschädigung wird nicht gezahlt  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Exakt 151 Jahre sind vergangen, seit Frankreich die Sklaverei offiziell abgeschafft hat. Erst dann war es möglich, sie zusätzlich als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ einzustufen. Das war gestern. Da stimmte die französische Nationalversammlung in ungewohnter Einhelligkeit für den Gesetzesvorschlag einer Abgeordneten aus Französisch-Guyana, der den Sklavenhandel in die Liste der schwersten Verbrechen überhaupt aufnimmt.

Vorausgegangen war der schönen Geste zur Erinnerung an über 50 Millionen deportierte AfrikanerInnen eine mehrtägige Kommissionsverhandlung. Im ursprünglichen Entwurf der guyanischen Sozialistin Christiane Taubira-Delannon war noch die ausdrückliche Rede von Frankreich – das während 400 Jahren eine der drei großen SklavInnenhandelsnationen war – und von „Reparationen“ an die Nachfahren und Opfer des Dreieckhandels gewesen.

Nachdem gestern ihr symbolisch gewordenes Gesetz verabschiedet worden war, freute sich Taubira-Delannon trotzdem über den Erfolg. „Langfristig“, so erklärte sie, „werden Entschädigungen unumgänglich sein.“

Im dem Gesetz, das noch vom Senat abgesegnet werden muß, anerkennt die französische Republik erstmals, daß der Sklavenhandel ab dem 15. Jahrhundert ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war. Außerdem sieht das Gesetz vor, daß die Schulbücher und die internationalen Organisationen wie UNO und Europarat diesem Kapitel einen Platz einräumen müssen.

Die Diskussion über den Sklavenhandel ist in Frankreich im vergangenen Jahr in eine neue Phase getreten, als das Land den 150. Jahrestag der Initative von Victor Schoelcher feierte, die letztlich die Sklaverei abschaffte. Seither arbeiten immer mehr WissenschaftlerInnen über das Thema. Bis zum Jahr 2004 bereitet eine interdisziplinäre und internationale WissenschaftlerInnengruppe beispielsweise die erste umfassende Studie über die wirtschaftlichen, kulturellen und historischen Folgen von vierhundert Jahren Sklavenhandel vor.

Zahlreiche Intellektuelle aus ehemaligen französischen Kolonien haben die Gelegenheit ergriffen, ihrerseits die Sklaverei zu erforschen. Der haitianische Dichter Jean Métellus beispielsweise, der im französischen Exil lebt. Er versucht in Paris zu rekonstruieren, was allein in seinem Land geschah. Dabei kam er unter anderem zu diesem Ergebnis: „Obwohl ein Jahrhundert lang jährlich 30.000 afrikanische Sklaven nach Haiti gebracht wurden, lebten bei der Unabhängigkeit nur 400.000 Menschen auf Haiti.“