„Hilfe, mein Kind ist ein Tyrann!“

■ Frühberatungsstelle: damit kleine Kinder „groß und stark“ werden

Viele Mütter kennen das. Streß bei der Arbeit, Streß in der Familie. Und dann zahnt auch noch der kleine Steppke und plärrt den ganzen Tag rum. „Ich könnte mein Kind an die Wand schmeißen!“, mag so manche Mutter denken, wenn sie überlastet ist und die Nerven blank liegen. Doch was tun mit diesem Gefühl, schließlich hat ja eine Mutter ihr Kind zu lieben.

In der Frühberatungsstelle in Bremen-Hemelingen können jetzt Familien mit kleinen Kindern bis zu drei Jahren Hilfe finden. Eltern, die unsicher oder überlastet mit der Erziehung sind, stoßen in der Wohnung Hinter den Ellern 13 auf offene Ohren von Sozialpädagoginnen, einer Psychologin und einer Kinderärztin. Kein Tabu ist hier, wenn Mama das Gefühl hat „mein Baby mag mich nicht“ oder die Eltern nicht wissen, was sie tun sollen, weil die Lütte immer noch nicht laufen oder sprechen lernt.

Gestern eröffnete das No-Budget-Projekt des „Hauses der Familie“ und des Kinder- und Gesundheitsdienstes des Gesundheitsamtes seine Türen. Erstmals gibt es damit in Bremen eine Beratungsstelle, die sich speziell um die ganz Kleinen kümmert. „Die Eltern-Kind-Beziehung soll so früh wie möglich stabilisiert werden, um zu verhindern, daß die Entwicklung des Kindes gestört wird“, erklärt Psychologin Inge Beyersmann, Fachberaterin im Amt für Soziale Dienste, den Kern der Arbeit im Projekt. Beispiel: Eltern mit Minderwertigkeitsgefühlen wollen das perfekte Kind. Dann kann es passieren, daß das überforderte Kind sich immer weniger zutraut und zum Versager wird. Von Vätern ist allerdings nie die Rede, wenn Beyersmann das Projekt erläutert. Von Müttern umso mehr. „Oft verhindern die Gespenster aus der eigenen Kindheit, daß Mütter ihre Kinder unbefangen wahrnehmen“, sagt sie. Ob Klammerkiste oder Mini-Tyrann: Im Gespräch mit der Beraterin und Spiel mit Puppen sollen sie die Möglichkeit bekommen, ihr Kind von einer ganz anderen Seite zu sehen. Nämlich: „Was kann es und wie kann ich es unterstützen.“

Daß die erste Frühberatungsstelle ausgerechnet in Hemelingen entstanden ist, hat seinen Grund: Im Stadtteil wohnen viele Familien mit Problemen wie Arbeitslosigkeit, Eßstörungen und Alkohol. Der AusländerInnenanteil ist hoch. Kinder fänden zunehmend bei ihren Eltern nicht genügend Halt, so Beyersmann. Auch Schwierigkeiten im Kindergarten häuften sich. Da freuen sich die Mitarbeiterinnen vom „Haus der Familie“ besonders, wenn Mütter in der Näh- oder Kochgruppe auftauen und sie auch mal fragen „Du, was kann ich machen mit meinem Kind?“.

Über die Gruppenangebote hoffen die Mitarbeiterinnen den Frauen die Schwellenangst vor der Einzelberatung zu nehmen. Ganzheitlich will die Beratungsstelle den Müttern weiterhelfen. In den freundlichen kleinen Räumen hat auch Kinderärztin Dr. Käte Aldag ihr Sprechzimmer. Untersuchungen und Impfungen gibt es kostenlos. Rezepte verschreibt sie nicht, aber Kinderkuren. Eltern bietet sie Kurse zur Säuglingspflege und Gesundheitsberatung an. Bei behinderten Kindern erstellt sie Gutachten. Und für ausländische Mütter und Kinder gibt's ein Lernprogramm, damit es in Kindergarten und Schule leichter wird. be