Ein gewitzter Aufklärer

■ Die Vorschau: Radio Bremen 2 widmet dem Satiriker Georg Christoph Lichtenberg heute eine vierstündige Radio-Nacht

Einen Baum pflanzen, ein Kind zeugen und ein Haus bauen – an diesen Lebensleistungen erkennt man unschwer das Wirken eines wahren Mannes. Ein wahrer Feuilletonschreiber aber muß in seinem Leben, will er von den Kollegen als vollwertiges Mitglied der Zunft anerkannt werden, noch eine zusätzliche Aufgabe erfüllen. Einmal wenigstens muß es ihm gelingen, einen kulturpessimistischen Text zu schreiben, in dem ein Zitat von Georg Christoph Lichtenberg à la „Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?“ den gewichtigen Auftakt respektive den krönenden Abschluß bildet.

Warum gerade Lichtenberg? Weil zum einen Deutschland nicht nur ein Land der Dichter und Denker, sondern immer auch eines der Grobhumoriker war, in dem seit Lichtenbergs Tod im Jahr 1799 Ödnis auf dem Feld des geistreichen Spotts herrscht. Vor allem aber schmücken deshalb so viele Autoren so gerne ihre Texte mit seinen Aphorismen, weil Georg Christoph Lichtenbergs „Sudelbücher“ auch Jahrhunderte nach ihrer Niederschrift nichts von ihrer beißenden Ironie und ihrem unerreichten hintergründigem Humor verloren haben. Grund genug für Radio Bremen 2, dem gewitzten Aufklärer heute abend anläßlich seines 200. Todestages, der sich am 24. Februar jährt, eine Radio-Nacht zu widmen. Im Studio werden zahlreiche Gäste und Gesprächspartner erwartet, die mit dem Moderator Heiner Boehncke über Lichtenberg plaudern werden. Ergänzt wird die vierstündige Sendung mit Originalbeiträgen von Schriftstellern und Philosophen, die beredt ihre Bewunderung für Lichtenberg kundtun. Und selbstverständlich werden jene Aphorismen zu hören sein, auf denen sich Lichtenbergs Ruhm gründet.

Lichtenberg war jedoch nicht nur Schriftsteller und ein engagierter Verfechter aufklärerischer Ideen, sondern im Hauptberuf Professor für Mathematik und Experimentalphysik in Göttingen. Ob Literatur oder die Französische Revolution, ob Wahrscheinlichkeitsrechnung oder Magnetismus, der Lauf der Gestirne oder die Philosophie seines Zeitgenossen Kant – nicht nur waren Lichtenbergs Interessen weit gestreut. Die „Sudelbücher“ weisen ihn zudem als wahren Universalgelehrten aus, der bereits beharrlich auf die Abgründe der menschlichen Psyche verwies, als seine Zeitgenossen sich noch vorwiegend in der naiven Vergötzung der Vernunft und ihrer grenzenlosen Möglichkeiten ergingen.

Bekannter als für diese Leistungen aber wurde Lichtenberg für seine bissigen Aphorismen. Geradezu prophetisch seine Ahnung um die tiefe Bindung der Deutschen an ihre Rechtschreibung („Was die Engländer in der Füsik, die Franzosen in der Metafüsik, sind die Deutschen unstreitig in der Ortokrafi.“). Und wer weiß, wie die Geschichte – nicht nur die der Philosophie – verlaufen wäre, hätte der spröde Prinzipienreiter Immanuel Kant anstelle seines Kategorischen Imperativs Lichtenbergs weise Worte zum Grundsatz aller Moral erhoben: „Fürz nicht überall Überzeugung bei sich, so fürz doch auf Einigkeit, und hilfz nich, so schatz doch auch nichz“. zott

Die Sendung „Gewitzte Aufklärung“ wird auf Radio Bremen 2 ab 22.05 Uhr bis 2 Uhr übertragen (UKW Bremen 88,3 MHz). Anläßlich des 200. Todestages Lichtenbergs hat Radio Bremen eine gleichnamige Doppel-CD mit einer Aphorismenauswahl sowie Beiträgen lichtenbergbewundernder Schriftsteller und Philosophen (Gernhardt, Grass, Muschg, Blumenberg, Canetti u.a.) veröffentlicht. Näheres dazu erfährt man unter Tel.: 24 61 44 7