"Die EU wird uns helfen"

■ Ost-Timors Rebellenführer Alexandre Jose "Xanana" Gusmao über den Weg in die Unabhängigkeit, Ewartungen an die Weltgemeinschaft und seine Rolle

taz: Nach sechs Jahren Gefängnis stehen Sie nun in Jakarta unter Hausarrest. Wissen Sie, wie die Stimmung in ihrer Heimat ist – wollen die Osttimoresen unabhängig werden?

„Xanana“ Gusmão: Ohne Unterstützung der Bevölkerung wären zwanzig Jahre Guerillakrieg nicht möglich gewesen. Von außen ist es sehr schwer zu sagen, wie viele Menschen lieber bei Indonesien bleiben wollen. Deshalb haben wir immer ein Referendum gefordert. Denn das ist ein gerechter und demokratischer Weg, um herauszufinden, was die Leute wollen. Ich persönlich glaube, die Mehrheit will die Unabhängigkeit.

Jakarta stellt Ost-Timor vor die Wahl: Autonomie oder schnelle Trennung. Wie soll es nach Ihrer Ansicht weitergehen?

Am besten wäre es, eine internationale Friedenstruppe nach Ost-Timor zu senden, die einen Waffenstillstand durchsetzt und überwacht. Dann sollten alle Parteien entwaffnet werden. Ohne Frieden wird es keine Lösung geben. Danach brauchen wir eine Volkszählung, um herauszufinden, wer Ost-Timorese ist und wer nicht. Daran sollte sich eine Kampagne für ein Referendum unter Kontrolle der UNO anschließen. Wenn die Mehrheit Indonesier sein will, dann würden wir das akzeptieren. Wenn nicht, muß eine Periode des Übergangs folgen, um die notwendige Infrastruktur für ein unabhängiges Land zu bauen.

Wie lange rechnen Sie dafür?

Zwischen ein und drei Jahren.

Die indonesische Regierung von Präsident Habibie lehnt ein Referendum strikt ab, kann aber noch nicht sagen, wie sie anders herausfinden will, was die Osttimoresen wollen.

Die Zeit drängt. Im März oder April wird der zwischen Indonesien und Portugal vereinbarte Autonomieplan veröffentlicht. Bis zum Juni müssen wir eine Methode gefunden haben, die Osttimoresen zu befragen.

Warum sträubt sich Indonesien so sehr gegen ein Referendum? Hat es Angst, zu deutlich zu verlieren?

Wir verstehen ihre Schwierigkeiten, und wir sind bereit, ihnen zu helfen, ihr Gesicht zu wahren. Wir meinen aber, wir müssen vor den Parlamentswahlen [am 7. Juni] eine Entscheidung treffen. Denn wenn wir uns bis dahin nicht im klaren sind, wie es weitergeht, könnten die Wahlen sehr, sehr gefährlich werden. Wir wollen unbedingt Gewalt verhindern. Und wir bemühen uns sehr darum, ein Klima des gegenseitigen Respekts aller Seiten in Ost-Timor zu schaffen. Wir wollen vermeiden, daß die Wahlen in einer Atmosphäre allgemeiner Unsicherheit stattfinden.

Die nächste Präsidentin Indonesiens könnte Megawati Sukarnoputri von der Demokratischen Partei sein. Sie hat erklärt, sie werde eine Trennung von Ost-Timor nicht akzeptieren.

Ich sehe da kein großes Problem für uns. Denn ich glaube nicht, daß eine demokratische Partei die Politik eines undemokratischen Regimes [von Präsident Suharto] fortführen will, unter dem es keine Rechte und keine Gerechtigkeit gab. Die Demokratische Partei darf ihre eigenen Prinzipien nicht verletzen. Der Reformprozeß kann nicht demokratisch sein, wenn nicht die fundamentalen Menschenrechte respektiert werden. Ich glaube, Megawati wollte vor allem darauf hinaus, daß Präsident Habibie und seine Regierung nicht demokratisch legitimiert sind. Megawati spielt ein politisches Spiel.

Was tun Sie, um die Indonesier zu einem Referendum zu bewegen?

Wir versuchen, unsere Position allen politischen Parteien zu erklären. Wir haben Signale dafür, daß mehrere der wichtigsten politischen Gruppierungen akzeptieren, daß Ost-Timor frei sein muß.

Was sagen Sie ihnen?

Daß wir nichts von ihnen wollen, kein Geld, nichts. Und daß die gegenwärtige Situation eine Verletzung aller universell gültigen Rechtsprinzipien ist. Die Annexion Ost-Timors war ein Fehler von General Suharto und nicht des indonesischen Volkes. Wir sagen ihnen auch, daß wir fähig sind, uns selbst zu regieren. Ein unabhängiges Ost-Timor würde mit dem mächtigen Nachbarn Indonesien gute politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen pflegen. Ich glaube, wir können die Ängste und Mißverständnisse ausräumen.

Kann sich Ost-Timor wirklich allein regieren? Ist es nicht zu arm für die Unabhängigkeit?

Zuerst werden wir sicher Hilfe brauchen. Aber wir haben Bodenschätze, die noch nicht genutzt werden, zum Beispiel Erdöl, Gas, Magnum, Phosphate. Wir glauben, daß uns in den ersten Jahren die UNO helfen wird und auch die Europäische Union und die Weltbank. Portugal wird wohl eine große Rolle spielen, gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft der portugiesischsprechenden Länder, und hoffentlich auch andere Staaten wie die USA und Deutschland.

Werden Sie erster Präsident des unabhängigen Ost-Timor?

Immer fragen die Journalisten mich das! Ich bin nicht sicher, daß ich der richtige Mann für diese Rolle bin. Ich will nur unserem Volk helfen, hart zu arbeiten, damit es mit derselben Entschlossenheit wie im Unabhängigkeitskampf auch für den Aufbau seines eigenen Staates kämpft – und für ein besseres Leben, in dem weniger Krankheit, Unwissenheit und Aberglaube herrschen. Interview: Jutta Lietsch