Vermittler müssen Milošević ihre Aufwartung machen

■ Eine Einigung zum Kosovo wird es nach Informationen von Vermittlern und Konfliktparteien erst geben, wenn eine hochrangige Delegation nach Belgrad reist

Rambouillet (taz) – Der Westen und Rußland retten das Überleben des Regimes von Slobodan Milošević, und Europas erfolgreichster politischer Überlebenskünstler seit Ende des Ost-West-Konflikts schlägt in letzter Minute einen möglichst hohen Preis für seine Rettung heraus. Dieses Schauspiel läuft an diesem Wochenende auf sein dramatisches Finale zu.

Hinter den Kulissen zeichnet sich nach Angaben sowohl der Konfliktparteien wie des Vermittlerteams folgendes Szenario für die nächsten 48 bis 72 Stunden ab: Die Frist für eine Einigung zwischen den Vertretern Serbiens und der Kosovo-Albaner wird zwar nicht offiziell, aber de facto um 2 bis 3 Tage verlängert. Derweil reist eine hochkarätige Delegation (möglicherweise mit US-Außenministerin Albright und ihren Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien und Rußland) zu einer Vermittlungsaktion der „allerletzten Chance“ nach Belgrad und einigt sich mit Machthaber Milošević – auf eine internationale Truppe zur Durchsetzung eines Kosovo- Abkommens ohne das Etikett „Nato“ und mit geringerer Beteiligung von US-Truppen, als bislang öffentlich spekuliert wurde. Dafür soll ein starkes russisches Kontingent dabeisein. Außerdem erhält Milošević drei Zusagen, die er zu Hause als Sieg verkaufen kann: Der Kosovo bleibt Teil Serbiens; die Zahl der dort stationierten serbischen „Sicherheitskräfte“ wird gegenüber dem bislang in Rambouillet vorliegenden Entwurf für ein Abkommen nach oben korrigiert; die Wirtschaftssanktionen werden gelockert oder gar ganz aufgehoben.

Scheitern könnte dieses Szenario, wenn die kosovo-albanische Seite darauf bestehen sollte, daß im Abkommen von Rambouillet ein Referendum festgeschrieben wird, mit dem in 3 Jahren über den endgültigen Status des Kosovo entschieden wird.

Doch bevor dieses Szenario anläuft, wird die US-Außenministerin Albright sich heute morgen in Rambouillet noch einmal direkt in die bislang ergebnislosen Verhandlungen einschalten. Ihre Ankunft wurde im Laufe der letzten Nacht erwartet. Als entscheidender Hemmschuh für eine Einigung galt in den letzten Tagen der Widerspruch Serbiens gegen die geplante Stationierung von bis zu 28.000 Soldaten einer Nato-geführten Truppe im Kosovo. Gestern bekräftigte Milošević sein Veto: „Wir werden die Besetzung unseres Landes durch ausländische Truppen unter Führung der Nato niemals akzeptieren. Und wir werden den Kosovo nicht aufgeben, selbst wenn wir bombardiert werden.“ Milošević verweigerte gestern nachmittag sogar ein Treffen mit US-Unterhändler Christopher Hill in Belgrad.

Seit Tagen intensiviert die Nato ihre Drohungen und Vorbereitungen für ein Bombardement militärischer Bodenziele der Serben, falls bis heute mittag 12 Uhr keine Einigung erzielt und die serbische Seite dafür verantwortlich gemacht wird. Um diese Drohungen glaubwürdiger erscheinen zu lassen, wollen die USA und andere Nato-Staaten bis heute mittag den Großteil ihrer Botschaftsangehörigen abziehen. Auch Pläne für eine Evakuierung der rund 1.200 Personen starken Beobachtergruppe der OSZE im Kosovo werden öffentlich gehandelt.

Doch dazu dürfte es nicht kommen. Und die Nato wird von Milošević erneut davor bewahrt werden, ihre umstrittenen Drohungen wahrmachen zu müssen.

Andreas Zumach Bericht Seite 5