„Das ist kein perfekter Film“

■ Jasmin Tabatabai über ihre Rolle in „Gierig“, Berlin-Gefühle, verpickelte 80er Jahre und ihren neurotischen Regisseur

Es wird ausführlich gekotzt, gefickt und gestorben in „Gierig“, der zweiten Regiearbeit von Oskar Roehler. Jasmin Tabatabai (31) spielt die Journalistin Natascha, die durch die tödliche Erkrankung ihres Gatten Gary (Richy Müller), der einen Szene-Club betreibt, in eine Krise gestürzt wird. Tabatabai kommt demnächst mit Helmut Dietls „Late Show“ ins Kino, wartet momentan aber noch „auf das nächste gute Buch“. „Gierig“ soll erst im kommenden Dezember anlaufen.

taz: Bringt „Gierig“ ein aktuelles Berlin-Gefühl auf den Punkt?

Jasmin Tabatabai: Dieses Berlinspezifische hat mich weniger interessiert. Für mich war eher die besondere Beziehung zwischen Gary und Natascha wichtig. Es ist eine Geschichte, die eindeutig in einer Großstadt spielen muß. Ob das ein aktuelles Berlin-Gefühl ist, kann ich nicht so beurteilen, weil ich kein großer Szenegänger bin.

Mir kam es ein bißchen altmodisch vor...

Ja, 80er. Ich denke, das war von Oskar [Roehler] auch so gewollt. Es bezieht sich wohl auf seine Zeit in den 80ern. Es ist sicher auch ein Film über die, die aus den 80ern übriggeblieben sind.

Was verbinden Sie mit den 80ern?

Ich persönlich eine pummelige und schreckliche Teenagerzeit mit wahnsinnig viel schlechter Musik. Ich bin ja zuerst in Teheran und dann in einem Kaff in der Nähe von München aufgewachsen. Das hat mich wohl vor einer großartigen Drogenlaufbahn bewahrt.

Die Beziehung zwischen Gary und Natascha, die Ihnen so wichtig war, ist im Film eher bläßlich.

Viele Sachen sind nicht mehr so deutlich, wie sie im Drehbuch waren. Zwischen den beiden bricht alles auf, weil sie mit etwas Existentiellem konfrontiert werden. Natascha erlebt eine gewisse Befreiung, weil die Beziehung auch ein Gefängnis für sie war. Das ist jetzt nur noch leicht angedeutet.

Warum ist der Film nicht deutlicher?

Fragen Sie doch Oskar (lacht).

Anders gefragt: Was ist das für ein Gefühl, wenn man nach der Premiere vor dem Publikum steht, und das war offensichtlich nicht begeistert?

Ich habe es eher so empfunden, daß das Publikum gespalten war. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die den Film sehr spannend fanden, aber es gab auch Buhs. Bei einem so extremen Film ist das gar keine so unbegrüßenswerte Reaktion. Ich wußte vorher, daß das ein heftiger Film wird, und das hat mich auch daran interessiert. Aber Natascha ist einfach eine wunderschöne Rolle, sie hat unheimlich viele Facetten.

Was schätzen Sie an Roehler?

Ich kenne kaum jemanden, der so offen mit seinen Neurosen umgeht. Daß er nicht versucht, seine Unsicherheit zu verstecken, fand ich sehr erfrischend, denn die meisten Männer in der Filmbranche verbrauchen 80 Prozent ihrer Energie damit, aller Welt vorzuspielen, wie stark und cool sie sind. Was mir am Buch besonders gefallen hat: Erstens die wunderbare Frauenrolle. Zweitens, daß er sich einen Dreck schert, in welches Genre man den Film einordnen soll. Als ich das Buch gelesen habe, habe ich teilweise sehr gelacht.

Aber der Witz verpufft leider durch die Inszenierung.

Daß wir Schwächen und Fehler haben, das ist klar. Das weiß Oskar, das weiß ich, das wissen alle Leute, die diesen Film gemacht haben. Das ist kein perfekter Film, da brauchen wir uns nichts vormachen. Ich will das nicht entschuldigen, denn ich finde den Film gut, so wie er ist. Ich weiß auch, daß das hinterher nicht interessiert, aber wir haben sehr wenig Zeit und Geld gehabt. Da ist kein Platz mehr, Fehler auszubügeln. Interview: Thomas Winkler