Anwälte: Schüsse wahllos abgefeuert

■ Während Werthebach eine Nachrichtensperre aufrechterhält, widersprechen die Anwälte der inhaftierten Kurden den offiziellen Darstellungen. Es habe keine Geiselnahme gegeben

Der Ablauf der Ereignisse im israelischen Konsulat, bei der drei kurdische BesetzerInnen von israelischen Sicherheitsbeamten erschossen wurden, ist nicht so eindeutig wie bislang dargestellt. Während Polizei und Innenverwaltung nach wie vor eine Nachrichtensperre aufrechterhalten, versuchten gestern die Betroffenen, die Vorgänge zu klären.

Bei einer Pressekonferenz schilderte der Anwalt eines Besetzers, Rüdiger Jung, die Vorgänge vom vergangenen Mittwoch aus der Sicht seines Mandanten, der sich derzeit in Haft befindet. Diese Sicht widerspricht in wesentlichen Punkten der offiziellen Fassung von Polizei und Staatsanwaltschaft. So waren nach seiner Darstellung die KurdInnen weder mit Hämmern noch mit sonstigen Waffen in das Gebäude eingedrungen, sondern hätten die Tür zum Konsulat mit den Füßen eingetreten. Mit acht Personen sei man in den ersten Stock vorgedrungen und dort auf jene Angestellte getroffen, die nach offizieller Darstellung Opfer einer Geiselnahme wurde. Jungs Mandant bestreitet, daß es eine Geiselnahme gegeben hätte. Statt dessen sei ein israelischer Wachmann vor der halboffenen Tür zu dem Raum erschienen und hätte wahllos mehrere Schüsse in den Raum abgefeuert. Dabei sei niemand verletzt worden.

Kurz darauf sei in der unteren Etage des Konsulats geschossen worden. Aus einem geöffneten Fenster heraus habe man dann der Polizei zugerufen, die „festgesetzte“ Angestellte gehen lassen und die Besetzung beenden zu wollen. Weder sei die Angestellte verletzt noch gefesselt worden, so Jung. Die offizielle Version, nach der ein Wachmann die Kurden mit Faustschlägen habe stoppen wollen, konnte der Anwalt nicht bestätigen. Auch habe keiner der eindringenden Kurden versucht, einem Wachmann seine Waffe zu entreißen. Die Haftbefehle der Festgenommenen lauten nach Jungs Angaben auf Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwere Körperverletzung. Von Geiselnahme sei keine Rede.

Ungereimtheiten gibt es auch in der Frage, wie viele israelische Beamte an der Schießerei beteiligt waren. Nach Darstellung der deutschen Ermittler wurden alle Schüsse aus einer Waffe abgefeuert. Die israelische Seite behauptet, daß zwei Wachmänner von ihrer Schußwaffe Gebrauch gemacht hätten. Beide an der Schießerei beteiligten Wachmänner sind nach ihrer Vernehmung inzwischen nach Israel ausgeflogen worden.

Im Vorfeld des für Mittwoch geplanten Trauermarsches warnte der Regiernde Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) die KurdInnen vor einem Mißbrauch des Demonstrationsrechts. „Jeder, der das Gastrecht mißbraucht, hat es verwirkt.“ Christoph Rasch, Axel Schröder