Singend vor sich hin dornrösen

■ Georgette Dee & Terry Truck mit „Evergreens – Die roten Lieder“ im Tivoli: Chansons und Gesten, groß wie eh und je

So glührot wie Ohren bei akuter Begierde, so brennend rot wie küssende Lippen, so verquollen rot wie die Augen nach einer durchheulten Nacht – so rot sind auch die Evergreens – Die Roten Lieder, das neue Programm von Georgette Dee & Terry Truck im Tivoli. Die Berliner Diseuse bleibt von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt und interpretiert wie eh und je große, unvergeßliche Chansons großer, unvergeßlicher Diven auf große, unvergeßliche Weise: „Nur nicht aus Liebe weinen/Es gibt zum Weinen nicht nur den einen/Es gibt so viele Gründe auf dieser Welt/ich weine immer, wenn's mir gefällt!“

Mit einer Hand am Flügel von Pianist und Komponist Terry Truck steht sie da, Dee, eingehüllt in den aufsteigenden Dunst ihrer Zigarette, und leuchtet. Große Gesten und große Worte, stets gebrochen von beiläufiger Selbstironie. Wenn sie ihren Text vergißt oder den Wein mit der Grazie einer selbstvergessenen Trinkerin direkt aus der Flasche schluckt, scheint alles seltsam unspektakulär – aber, seltsam eben, sie glänzt doch, die Dee.

Der Mensch hinter dieser schillernden Bühnenerscheinung hütet sein Privatleben und schützt so sein Alter ego vor Entzauberung. Seit 16 Jahren macht Georgette Dee sich selbst zum Mysterium und zusammen mit Terry Truck die Bühne zum magischen Ort. Mal singt sie von entflammter Leidenschaft, mal sinniert sie über „Freiheit, das grundlose Sein“. Terry Truck sorgt nuancenreich für das richtige Klangfundament und steigert sich im Gesangsduett zum ebenbürtigen Partner.

Tatsächlich führen die Evergreens im ersten Teil zu roten Augen – vor Lachen. „Man dornröst so vor sich hin, und die meisten Männer suchen gar nicht!“ Konsequenz des ewigen Scheiterns: „Es ist schon gut, nicht zu lieben und zu gucken, wie es bei den anderen geht.“ Am Ende fallen sich die Menschen aber doch trotz besserer Vorsätze in die Arme: „Man kann nicht alles alleine machen!“ Bleibt die Frage „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre...“ – und alles geht immer wieder von vorne los.

Auch wenn das Programm im zweiten Teil ruhiger wurde und an Witz einbüßte, das Publikum war hingerissen. Wer Georgette Dee und Terry Truck gesehen hat, stimmt Georgette glücklich zu: „Der Augenblick ist eine Ewigkeit.“ Birgit J. Neumann