Müde Visionen für eine schönere Stadt

■ „Spiel(t)räume“: Anläßlich einer Ausstellung im Bremer Rathaus diskutieren Planer und Pädagogen über die „Kinderfreundliche Stadt“. Die Vorschläge bleiben vage

Glaubt man den Visionen der Kongress-Broschüre „Spiel(t)räume in der Stadtplanung“, dann ist Bremen bald das reinste Kinderparadies. „Sozialisationsort“ soll die Stadt werden, hinter dem soziologischen Schlagwort verbirgt sich die Idee, die Städte wieder familienfreundlicher zu gestalten. Kinder sollen nicht mehr nur auf Spielplatzinseln toben dürfen, sondern sich die Straßen wiedererobern, der Verkehr soll zurück- und der Mensch in den Vordergrund gestellt werden.

Der Weg zu diesen paradiesischen Zuständen führt über einen Kongreß und eine Ausstellung in der Unteren Rathaushalle. Als „Versuch, Planer und Kinder zusammenzubringen“ beschreibt Architekt und Koordinator Gerd Schwagereit das Projekt. Während auf dem Kongreß Experten über kinderfreundliche Stadtplanung fachsimpeln, ist die Ausstellung (vom 22. Februar bis zum 6. März) für die breite Öffentlichkeit gedacht.

Etwa 30 Bremer Initiativen wie der Sportgarten e.V. oder der Kinderschutzbund sind daran beteiligt und stellen ihre Ideen vor. „Macht Bremens Straßen zu Spielstraßen“, fordern sie und erinnern mit Schaukästen an Spiele wie Gummitwist oder Murmeln. Angekündigt als „Spiel-Info-Paradies“ mit dem Anspruch, sowohl Kindern als auch Fachleuten Anregungen zu bieten, ist die Ausstellung am Eröffnungsmorgen nur spärlich besucht. Ob actionverwöhnte Kinder mit Themen wie „Wieviele Beine hat eine Assel?“ von Power Rangers und Playstation wegzulocken sind, muß sich erst noch zeigen. Die beiden Teenager Sandra und Tine finden die Ausstellung jedenfalls „ganz okay“. Beide machen eine Ausbildung als Tischlerin und wollen sich hier Anregungen für ihre Arbeit mit Kinderspielzeug holen. Am besten gefällt ihnen ein klingendes Trampolin, auf dem sich gerade ein paar Sechsjährige vergnügen.

Völlig verwaist ist dagegen der „Piratenstrand“ vor dem Rathaus, eine 400 Quadratmeter große Sandkiste mit Holz- und Tannengrünbeilage. Spielen wollen Kinder in der Matschlandschaft offenbar nicht, was wohl an den kühlen Februartemperaturen liegt. Die mißmutigen Ordnungshüter, die aus Angst vor Kurdenkrawallen Grasmarkt und Sandlandschaft überwachen, wollen jedenfalls noch keine Kinder gesichtet haben.

Insgesamt ist „Spiel(t)räume in der Stadtplanung“ ein teures Projekt, mit etwa 40.000 DM zur Hälfte von der Stadt finanziert. Bausenator Bernt Schulte (CDU) betont deswegen auf dem Kongreß unverdrossen die Wichtigkeit der Sache. Mit konkreten Beispielen, was die Stadt in Sachen familienfreundliches Wohnen bislang unternommen hat, hapert es zwar. Sicher ist sich Schulte jedoch, daß Familien das Wohnen in der City wieder schmackhafter gemacht werden muß. Familien mit Kindern stellen nur noch 19 Prozent aller Bremer Haushalte - und wandern lieber ins grüne Umland ab, als sich in der Stadt niederzulassen. „Die Städte dürfen nicht ausbluten“ plädiert Schulte, der familienorientiertes Wohnen als „Standortfaktor“ ausgemacht hat - schließlich sei eine belebte Stadt auch von wirtschaftlichem Interesse.

Einen Ausbau der Tempo-30-Zonen und Radwege verspricht der Senator, insgesamt soll Bremen kindgerechter werden: Die „Straße als Raum der Begegnung“. Bremen - bald also eine einzige Tempo-30-Zone? Die konkreten Pläne in Richtung städtische Idylle bleiben vage. „Positiv denken“ beschreibt Architekt Schwagereit seine Strategie im Umgang mit den städtischen Entscheidungsträgern, denn: „vielleicht bewegen die sich dann ja doch noch“.

Kristine Schmidt