Kommentar
: Demonstrationsrecht gilt

■ Vorbeugende Kriminalisierung ist kein Rezept

In vielen größeren Städten der Bundesrepublik demonstrierten am Wochenende Kurdinnen und Kurden gegen die Festnahme Abdullah Öcalans und gegen die Kurdenpolitik der Türkei. Unter anderem gingen in Bonn, Bielefeld und Stuttgart trotz Demonstrationsverboten Tausende von KurdInnen auf die Straße. Nur in der deutschen Hauptstadt herrschte nach dem Tod dreier KurdInnen gespenstische Stille – ausgerechnet in der Stadt mit der größten türkisch- kurdischen Community.

Dabei ist es in Berlin ohnehin schon erstaunlich ruhig geblieben. Selbst nach den Schüssen im israelischen Konsulat: keine gewaltsamen Auseinandersetzungen, keine Anschläge. Lange kann das kaum gutgehen. Die Innenverwaltung täte deshalb gut daran, den nun für morgen angemeldeten Trauermarsch zu genehmigen. Es wäre eine Einsicht in die Realität der Stadt.

Auch wenn sich die Innenminister in Bund und Ländern derzeit noch so sehr anstrengen, die Abschiebungen zu erleichtern und die PKK-Strukturen nun wirklich auch ernsthaft zu durchleuchten – es wird einfach nicht möglich sein, alle KurdInnen aus dem Verkehr zu ziehen. Nicht polizeilich und nicht politisch.

Also wird sich auch Berlin mit den Realitäten abfinden müssen, sonst verschafft sich die Aggression in ungeregelter Form Ausdruck. Das Potential dafür ist in Berlin enorm. Weder der Innenverwaltung noch den VertreterInnen der KurdInnen kann an einer Polarisierung im Moment gelegen sein.

Und da ist noch die Sache mit dem Rechtsstaat: Wer sich nicht an die demokratischen Spielregeln unseres Landes hält – fliegt raus. So einfach klingt die Botschaft an die protestierenden KurdInnen. Schon alleine aus Schutzgründen für eben diesen unseren Rechtsstaat müssen den hier lebenden KurdInnen nun aber auch die demokratischen Rechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zugestanden werden. Dieses einzuschränken, nur weil die verbotenen PKK-Fahnen – mit großer Wahrscheinlichkeit übrigens – gezeigt werden könnten, hieße, auch weiterhin alle KurdInnen undifferenziert der PKK zuzuordnen und vorbeugend zu kriminalisieren. Barbara Junge