Kampfunlust in Podgorica

■ Bei Nato-Angriffen im Kosovo will die Teilrepublik Montenegro neutral bleiben

Belgrad (taz) – In Jugoslawien hat jeder seine eigenen Sorgen: Serbien will keine Nato-Truppen im Kosovo dulden, Kosovo-Albaner wollen die Unabhängigkeit, die Bosniaken im Sandschak einen Sonderstatus und die Ungarn in der Vojvodina eine Dezentralisierung. Montenegro, neben Serbien die zweite jugoslawische Teilrepublik, will möglichst wenig mit serbischen Problemen zu tun haben und nicht in einen Konflikt mit der Nato verwickelt werden.

Angesichts der Kosovo-Konferenz im Rambouillet steht die Bundesrepublik Jugoslawien vor einer weiteren Zerreißprobe. Sollte es zu einer Nato-Intervention gegen Jugoslawien kommen, würde Montenegro seine Neutralität ausrufen, beschloß auf einer Sondersitzung am Wochenende die montenegrinische Regierung. Montenegro werde im Falle von Nato- Luftangriffen die Benutzung von Raketensystemen der Luftabwehr auf seinem Territorium nicht zulassen. Das würden im Ernstfall Sondereinheiten der montenegrinischen Polizei verhindern.

Sollten sich die Konfliktparteien einigen, stellt sich Montenegro für Nato-Stützpunkte zur Verfügung. „Das montenegrinische Territorium darf nicht für die Auseinandersetzung mit einer internationalen Streitkraft, die weder ein Aggressor noch eine Strafexpedition ist, mißbraucht werden“, erklärte Montenegros Vizepremier Novak Kilibarda. Er rief alle Montenegriner auf, Einberufungen der jugoslawischen Armee zu ignorieren.

Trotz der Neutralitätserklärungen verlassen amerikanische Staatsbürger und die Vertreter des UN-Flüchtlingskommissariats die Adriarepublik. Montenegro umfaßt nur fünf Prozent der Bevölkerung, des Territoriums und des Wirtschaftspotentials der Föderation, hat verfassungsmäßig jedoch die gleichen Rechte wie Serbien im Bund. Trotzdem hat Jugoslawiens Präsident Slobodan Milošević keine Vertreter Montenegros in das Verhandlungsteam in Rambouillet aufgenommen.

Nicht nur in der Kosovo-Frage bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen Serbien und Montenegro. Zwischen beiden Teilrepubliken tobt ein Handelskrieg. Montenegro erkennt keine Bundesbehörden an, zahlt weder Steuern noch Zoll in die Bundeskasse ein. Der Transport über See für das ganze Land wird vor allem über den montenegrinischen Hafen Bar abgewickelt. Im Gegenzug sperrte die serbische Polizei die Grenze zum Bruder. Eigenmächtig öffnete Montenegro die Grenze mit Kroatien Richtung Dubrovnik. Ab 1. März will es den Visumzwang für ausländische Touristen, die direkt einreisen, abschaffen.

Die Krise in der Föderation begann, als Belgrad den Aufstieg des reformfreudigen montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanović nicht aufhalten konnte. Djukanović bezeichnete Milošević als „untauglichen Politiker, der sein Land zerstört hat“. Daraufhin ignorierte Milošević die Beschlüsse des Parlaments in Podgorica und setzte mit seiner Mehrheit im Bundesparlament eine Regierung durch, die von Montenegro nicht anerkannt wird. Die Bundesrepublik Jugoslawien droht zu zerbrechen – die nächste Krise ist vorprogrammiert. Andrej Ivanji