Prüfer kommt nur alle Jubeljahre

Weil Betriebsprüfer und Steuerfahnder fehlen, werden kleine und mittlere Unternehmen kaum überprüft. Studie: 10.000 Neueinstellungen brächten 20 Milliarden Mark  ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – Haben Sie durchschnittliche Einkünfte, sind nicht dümmer als die meisten und wollen richtig Steuern sparen? Dann sollten Sie nicht lohnabhängig beschäftigt sein, denn dann wird Ihnen das Geld schon als Vorleistung vom Lohn abgezogen, und beim Lohnsteuerjahresausgleich bleibt nicht viel mehr abzusetzen als die Werbungskosten. Erfolgversprechender ist laut einer jetzt veröffentlichten Studie „Betriebsprüfung und Steuerfahndung im Ländervergleich“ der Arbeiterkammer Bremen die Selbständigkeit, auch wenn es sich nur um einen Kleinstbetrieb handelt.

Denn als Unternehmer dürfen Sie Ihre Einkünfte selbst deklarieren und haben dabei zwei manipulierbare Größen zur Hand: Einnahmen und Ausgaben. Und das Beste: Um eine Beinahe-Steueroase zu finden, brauchen Sie nicht mal über eine Grenze – die Studie zeigt: Sie müssen sich nur irgendwo in Ostdeutschland niederlassen.

Neu ist dabei nicht, daß die Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmen und Unternehmer besser sind als die für Lohnsteuerzahler, sondern wie einfach es die Finanzämter unwilligen Zahlern machen, die Gesetze auch noch besonders großzügig auszulegen: Während Lohnsteuerzahler lückenlos und Großbetriebe immer noch sehr konsequent überprüft werden, nimmt die Kontrollquote bei mittleren und kleinen Unternehmen rapide ab. Laut „nur für den Dienstgebrauch“ bestimmten Statistiken des Bundesfinanzministeriums erhielten 1997 22,2 Prozent der Großbetriebe, 7,9 Prozent der Mittel- und lediglich 4,3 Prozent der Kleinunternehmen Besuch von Betriebsprüfern.

Hinzu kommt ein großes Gefälle zwischen den Bundesländern, wobei die ostdeutschen beinahe durchweg am schlechtesten abschneiden. Während Bremen bei mittleren Betrieben etwa auf einen Prüfungsturnus von 8,4 Jahren kommt, braucht Thüringen schon 17,3, bei Kleinunternehmern mit arbeitnehmerähnlichen Einkünften sogar 45,3 Jahre. Auch der Bundesrechnungshof monierte in seinem letzten Bericht, es sei „zu befürchten, daß die Steuerfahndungsstellen in den neuen Bundesländern nur bedingt in der Lage sind, Ihre Aufgaben zu erfüllen“.

Überprüft werden, wenn sich keine besonderen Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung ergeben, routinemäßig nur die Zahlen der vergangenen drei Jahre. Und daß sich auch im schlimmsten Fall oft eine Ausrede finden läßt, zeigt Kröger am Beispiel einer Commerzbank-Betriebsprüfung aus dem Jahr 1996. Dort hatten die Prüfer eine jahrelange falsche Gewinnermittlung aufgedeckt, durch die den Staatskassen rund 500 Millionen Mark verlorengegangen waren. Den Vorwurf der Steuerhinterziehung wies die Bank mit Bezug auf die „komplizierten steuerlichen Vorgänge“ zurück.

Auch wenn die Steuerfahndung oft genug keine Straftat nachweisen kann, lohnen sich doch die Betriebsprüfungen. Trotz der großen Prüfungsabstände kommen jährlich zweistellige Milliardensummen an Mehrsteuern zustande. Für 1997 beispielsweise 18,5 Milliarden. Die Deutsche Steuergewerkschaft (DStG) schätzt, daß die Finanzämter mittelfristig 30 Milliarden Mark mehr eintreiben könnten, wenn die Länder mehr Betriebsprüfer und Steuerfahnder beschäftigten.

Die Studie der Arbeiterkammer kommt zu einem ähnlichen Schluß. Eine schlichte Erhöhung des Prüfungspensums, wie sie in den vergangenen Jahren vorgenommen worden sei, habe, so Kröger, nur zu einer abnehmenden Prüfungsqualität geführt. Der Jahresbericht des Bundesrechnungshofs bestätigt das: Rund 30 Prozent der neueren Betriebsprüfungsberichte hatten Mängel. Dagegen würden sich Mehreinstellungen schnell amortisieren: In den vergangenen drei Jahren hat jeder Prüfer durchschnittlich so viele Fehler bei den Steuererklärungen aufdeckt, daß er jährlich rund 1,85 Millionen Mark an Mehrsteuern erwirtschaften konnte. Abzüglich seiner eigenen Bruttolohnkosten von rund 130.000 Mark bleiben den Ländern mehr als 1,7 Millionen Mark netto. Fahnder kommen immerhin noch auf eine Nettosumme von je 1,1 Millionen Mark. Krögers Vorschlag: 10.000 Betriebsprüfer und 1.000 Steuerfahnder mehr brächten dem Fiskus schon mal 19,8 Milliarden Mark ein. „Von so einer Regelung würden Bund und Länder profitieren, die Steuermoral würde ansteigen.“

Die Reaktionen der Politiker sind unterschiedlich. Die steuerpolitische Sprecherin der Grünen- Bundestagsfraktion, Christine Scheel, und der stellvertretende Finanzsprecher der SPD-Fraktion, Detlev von Larcher, bestätigten, „lieber heute als morgen“ und „gleich nach der Verabschiedung des Steuerentlastungsgesetzes“ entsprechende Initiativen „überprüfen“ zu wollen. Dabei könne man auf „alte Anträge aus der Zeit der Opposition zurückgreifen“, so Larcher. „Aber eigentlich müssen die Länder sagen: Wir machen das“, hieß es aus dem Büro Scheel.

Die Verantwortlichen dort jedoch zeigen sich erheblich zugeknöpfter. Einige sehen in einer laschen Betriebsprüfung und Steuerfahndung sogar „Standortvorteile“. Gegenüber der taz zitierte Kröger den Bremer Finanzstaatsrat, der sich nicht „den Vorwurf von den Unternehmen gefallen“ lassen wollte, „daß wir hier schärfer prüfen und Unternehmen und Bürger vertreiben“. Auch der Länderfinanzausgleich wird als Gegenargument herangezogen. Das Geberland Baden-Württemberg behauptet, 87 Prozent der eventuellen Mehreinnahmen ohnehin wieder abführen zu müssen. Umgekehrt befürchten Nehmerländer, daß eigene Mehreinnahmen die Zuweisungen aus dem Finanzausgleich reduzieren. Im Thüringer Finanzministerium hält man die ganze Diskussion für „die übliche Propaganda“ und „in großen Teilen unseriös“. Die spezielle Situation der Ostländer werde nicht berücksichtigt. Pressesprecher Lothar Neyer erklärte: „Die meisten Unternehmen sind gar nicht in der Situation, daß sie Geld zum Hinterziehen haben.“