Großes Aufräumen in Aserbaidschan

■ Der Kampf um die Präsidentennachfolge ist entbrannt. Potentielle Anwärter landen im Knast

Berlin (taz) – Nicht nur arabische Staaten wie Saudi-Arabien müssen sich damit vertraut machen, daß sie aus Alters- und Krankheitsgründen bald einen Herrscherwechsel erleben werden wie jüngst in Jordanien. Auch mehrere Staaten Mittelasiens stehen vor dem Problem, daß ihre autoritär regierenden Staatsoberhäupter potentiellen Nachfolgern kaum Platz lassen. Zu groß ist die Angst, daß sie ihnen schon zu Lebzeiten zu Rivalen werden könnten. So bootete erst vor wenigen Wochen Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew seinen Expremier Akeshan Kaschegeldin mit unlauteren Mitteln aus, als der bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn antreten wollte. Statt der – von Herrschern wie ausländischen Investoren – erwünschten Stabilität produziert die Nachfolgefrage potentielle Unsicherheit.

Während der 58jährige Kasache noch ein paar Jahre Zeit hat, könnte die seines 75jährigen aserbaidschanischen Kollegen Gaidar Alijew bald abgelaufen sein. Seit er sich im Januar zwei Wochen zur medizinischen Behandlung in der Türkei aufhielt, hören in der Hauptstadt Baku die Spekulationen über seine Nachfolge nicht auf. Dazu trägt bei, daß Alijew selbst bisher jede Aussage über möglichen Kandidaten vermeidet. Er hat sich im vergangenen Oktober bis zur nächsten Wahl 2003 nochmals im Amt bestätigen lassen. Davor kommen noch im nächsten Jahr die Parlamentswahlen.

Zwar sieht die Verfassung vor, daß im Falle eines Falles der Parlamentspräsident die Vakanz füllt. Doch den amtierenden Wissenschaftler Murtuz Aleskerow, der bisher mehr als blaß blieb, hält kaum jemand für geeignet, den ehemaligen Chef des Republiks- KGB, Alijew, zu ersetzen. Der scheint diese Meinung nicht zu teilen und wehrte sich gegen Gerüchte, er wolle zurücktreten.

Die herrschende Partei „Yeni Azerbaycan“ (Neues Aserbaidschan) hingegen hat ihre Option schon bekanntgegeben: Alijews 37jährigen Sohn Elham, der derzeit Vizepräsident der staatlichen Ölgesellschaft SOCAR ist. Mit seinen guten Beziehungen sowohl nach Rußland als auch in die USA scheint er der geeignete Mann zu sein. Mehrere namhafte US-Ölkonzerne beteiligen sich an der Erschließung und Ausbeutung der gewaltigen Ölreserven des Landes. Es gibt nur ein Hindernis: Sohn Alijew scheint, im Moment wenigstens, überhaupt nicht gewillt, in die Politik zu wechseln. Währenddessen läuft in Baku das große Aufräumen. Seit den von zum Teil gewalttätigen Demonstrationen der Opposition begleiteten Oktoberwahlen wandern im Wochentakt politische Gegner ins Gefängnis. Am 10. Februar endete der Prozeß gegen den früheren Präsidenten Abufazl Elcibey wegen Präsidentenbeleidigung. Er hatte Alijew vorgeworfen, während seiner Moskauer Politbürozeit mit dem russischen Regierungschef Jewgeni Primakow an der Gründung der kurdischen PKK mitgewirkt zu haben. Fünf Tage später erhielt Alijews ehemaliger Ministerpräsident Suret Hussainow sein Urteil: lebenslänglich wegen angeblichen Umsturzversuches. Ironischerweise hatte Hussainow 1993 Alijew mit einer Militärrevolte erst den Weg an die Staatsspitze gebahnt. Erst letzte Woche wurden wieder 15 Oppositionelle wegen Widerstands gegen ihre Festnahme bei einer verbotenen Demo zu Haft zwischen zwei und drei Jahren verurteilt.

Der Ko-Vorsitzende der Sozialdemokraten, Sardascht Alizade, bezeichnete dies als regelrechte „Jagd auf einheimische Feinde“ des Präsidenten. Die Menschenrechtsaktivistin Nadeschda Ismailowa empörte sich laut Neuer Zürcher Zeitung, daß es kein anderes Land gebe, das so viele Parlamentarier, Minister und Generäle ins Gefängnis stecke wie Aserbaidschan. Auch die Präsidentenpartei wird gnadenlos auf Linie gehalten. Im Februar wurde der Abgeordnete Ainullah Fathullajew rausgeworfen, der eine eigene Fraktion namens „Edalat“ (Gerechtigkeit) gegründet hatte. Wenn sich Elham Alijew doch für eine politische Karriere entscheidet, hat er eines kaum zu fürchten: Gegner. Thomas Ruttig