Erkennbar für den Bundespräsidenten einstehen

■ Die FPD will dem Vorschlag der SPD folgen: Johannes Rau soll neuer Bundespräsident werden. Ihre Wahlmänner und Wahlfrauen müssen sich aber nicht nach dieser Linie richten

Bonn (taz) – FDP-Parteichef Wolfgang Gerhardt ist vorerst damit gescheitert, seine Partei auf die CDU-Kandidatin Dagmar Schipanski festzulegen. Die FDP-Fraktion ist uneinig, welchen Kandidaten sie bei der Bundespräsidentenwahl am 23. Mai wählen soll. Während sich Gerhardt in einer Fraktionssitzung für Dagmar Schipanski aussprach, befürworteten andere Abgeordnete den SPD-Bewerber, den ehemaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau. Nach Einschätzung eines Teilnehmers waren etwa 30 der 40 Anwesenden für Schipansik, zehn für Rau.

Insgesamt verfügt die FDP in der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten zu wählen hat, über 56 von 1.338 Stimmen. Dennoch kommt der FDP eine gewisse Bedeutung zu, weil Rau für die absolute Mehrheit zehn Stimmen mehr benötigt als SPD und Grüne aufweisen. Die FDP könnte also dafür sorgen, daß Johannes Rau nicht auf die Stimmen der PDS angewiesen ist.

Die FDP diskutiert nicht mehr das Thema, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Die ehemalige Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen war zu einer Kandidatur nicht bereit. Andere Kandidaten kamen für die Partei nicht in Frage.

Ursprünglich hatte Gerhardt am Montag durch eine Probeabstimmung in der Fraktion für klare Verhältnisse sorgen wollen. Generalsekreäter Guido Westerwelle sprach sich dagegen aus. Er nannte vor allem formale Gründe. Eine Probeabstimmung sei nicht sinnvoll, da ja noch nicht einmal alle Wahlmänner und -frauen gewählt seien. Teilnehmer vermuten, daß Gerhardt seine Führungsstärke beweisen und Westerwelle dies verhindern wollte.

Gerhardt hatte schon im Vorfeld der Sitzung kritisiert, daß es so viele unterschiedliche Stimmen in den eigenen Reihen gebe. Dem wollte er ein Ende setzen. In einer Pressekonferenz am Montag vor der Fraktionssitzung kündigte er an, er werde sicherstellen, daß erkennbar sei, wofür die Mehrheit der FDP stehe.

Dennoch sollen die Abgeordneten nicht gezwungen werden, sich der Mehrheitsmeinung anzuschließen. Vor einer Entscheidung will die FDP die beiden Kandidaten in die Fraktion einladen. Die Abgeordneten sollen sich noch einmal ein Bild von beiden machen. Wie es heißt, sind sie mit beiden Kandidaten, Schipanski und Rau, unzufrieden. Das mache die Diskussion so schwierig.

Mehrere FDP-Politiker haben sich trotzdem ummißverständlich für Johannes Rau ausgesprochen. Insbesondere der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Jürgen Möllemann setzt sich für den ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten ein, um die Chancen für die im kommenden Jahr stattfindende Landtagswahl zu erhöhen. Möllemann sagte, bei der Zustimmung der Bürger zur FDP werde die Vorgehensweise bei der Präsdientenwahl eine wichtige Rolle spielen, „ob wir das wollen oder nicht“.

Von Gerhardt heißt es, anders als viele andere in der FDP, habe seine Entscheidung nicht nur mit parteitaktischen Gründen zu tun. Er habe Rau als Menschen gewürdigt, sehe aber in der Wissenschaftlerin Schipanski ein Signal für die Zukunft. Außerdem stehe die Ostdeutsche in besonderer Weise für Integration. Markus Franz