Berliner SPD will Schulzeit auf zwölf Jahre verkürzen

■ ...und bricht damit ein Tabu. Expreß-Abi bislang nur in Ost-Ländern Sachsen und Thüringen

Berlin (taz) – Die Debatte um eine kürzere Schulzeit, seit einem Jahrzehnt das am heftigsten umkämpfte Thema der deutschen Bildungspolitik, nimmt eine neue Wendung. Am späten Montag abend hat der Landesvorstand der Berliner SPD beschlossen, die SchülerInnen künftig bereits nach zwölf statt wie bisher nach 13 Schuljahren mit dem Abitur zu entlassen. Das teilte Parteisprecher Frank Zimmermann gestern mit. Der SPD-Vorstoß hat Gewicht – schließlich stellt die Partei in Berlin die Schulsenatorin, und der Koalitionspartner CDU fordert schon seit Jahren kürzere Ausbildungszeiten. Schon mehrfach hatten führende Berliner SPD-Politiker mit einer Amputation des 13. Schuljahres geliebäugelt. Bislang waren sie sich aber am vereinten Widerstand von Lehrergewerkschaft und Schulpolitikern in den eigenen Reihen gescheitert. Doch jetzt hat Schulsenatorin Ingrid Stahmer offenbar eine Kehrtwende vollzogen – und damit einen Tabubruch begangen: Schließlich haben die SPD-regierten Länder das 13. Schuljahr bislang eisern verteidigt.

Auch in Ostdeutschland, wo die Erweiterte Oberschule bereits mit der 12. Klasse endete, haben die sozialdemokratischen Kultusminister in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern längst die Weichen in Richtung auf eine längere Gymnasialzeit gestellt. In Berlin war es just der SPD-Spitzenkandidat für die kommende Landtagswahl, Walter Momper, der 1990 als Regierender Bürgermeister das 13. Schuljahr im Ostteil der Stadt einführen ließ. Allein in den Freistaaten Sachsen und Thüringen halten die christdemokratischen Schulminister an der DDR-Tradition der kürzeren Schulzeit fest.

Bei ihren Kollegen in der Kultusministerkonferenz (KMK) finden die Ressortchefs aus Dresden und Erfurt jedoch wenig Verständnis für diesen Sonderweg. Nach langwierigen Verhandlungen einigte sich die KMK vor gut zwei Jahren auf einen Kompromiß: Jedes Land darf selbst entscheiden, wie lange es die Gymnasiasten auf die Schulbank zwingt. Sie müssen aber in zwölf Jahren die gleiche Anzahl an Unterrichtsstunden belegen wie andernorts in 13 Jahren. Die Hoffnung der Berliner SPD, mit dem schulpolitischen Tabubruch gleichzeitig den maroden Landeshaushalt zu entlasten, wird sich also nicht erfüllen. Ralph Bollmann