Hartnäckiger Kampf um den Erfolg

■ In den letzten dreieinhalb Tagen verhandelte US-Außenministerin Madeleine Albright in Rambouillet fast ununterbrochen mit den Delegationen der Kosovo-Albaner und der serbischen Regierung. Mehr als einen Teilerfolg konnte sie dennoch nicht erreichen

Ihr brauner Westernhut sollte offensichtlich Härte und Entschlossenheit demonstrieren. Daß er zum Ambiente des königlichen Jagschlosses aus dem 18. Jahrhundert etwa so wenig paßte wie Hollywood-Haudegen Bruce Willis in der Rolle Ludwig des XIV., schien Madeleine Albright überhaupt nicht zu stören. Seit ihrer Ankunft in Rambouillet am vergangenen Samstag morgen kämpfte die US- Außenministerin dreieinhalb Tage fast rund um die Uhr hartnäckig für einen Erfolg der Kosovo-Konferenz.

Stundenlang verhandelte die Vertreterin der einzigen Weltmacht mit jungen Führern der Kosovo-Befreiungsarmee UCK, die Albrights ehemaliger Chef-Balkandiplomat Robert Gelbhard im März vergangenen Jahres noch als „irrelevante Terrorgruppe“ abgetan hatte. Genauso geduldig hörte sich Albright immer wieder die Einwände der serbischen Regierungsdelegation gegen die Stationierung einer Nato-Truppe im Kosovo an. Schließlich trug die US- Außenministerin in den letzten dreieinhalb Tagen so manche Differenz mit ihren fünf Amtskollegen in der Balkankontaktgruppe aus.

Doch die größte Herausforderung für Albright war – und ist – ein Mann, der in Rambouillet gar nicht anwesend war und dem sie die Verhandlungsführung auch nicht überlassen wollte, gerade weil sein Schatten die US-Außenministerin seit ihrem Amtsantritt im Jahre 1996 immer noch ständig verfolgt: Richard Holbrooke, vielgefeierter „Architekt“ des Bosnienabkommen von Dayton im November 1995.

Erstaunlicherweise haben die vielen inzwischen offensichtlichen Konstruktionsfehler dieses Abkommens Holbrookes Image als Star der US-Diplomatie bislang ebensowenig beschädigen können wie sein Versagen in der Zypernfrage und seine schweren Fehler als Unterhändler zum Thema Kosovo. In Rambouillet war Holbrooke von Beginn der Verhandlungen am 5. Februar an in mehrfacher Weise immer präsent. Zum einen, weil vor allem von den zahlreich vertretenen Medienvertretern immer wieder Parallelen zwischen Dayton und Rambouillet gezogen wurden. Und dies trotz aller offensichtlichen Unvergleichlichkeit der politischen Ausgangslage, der äußeren Rahmenbedigungen und der Teilnehmerschaft – in Dayton war etwa Milosevic vom ersten bis zum letzten Tag dabei.

Zum zweiten haben Holbrookes schwere Fehleinschätzungen der vergangenen acht Monate ganz wesentlich die Entwicklungen bestimmt, die schließlich zu den Verhandlungen in Rambouillet führten. Nach einem ersten Treffen mit führenden Vertretern der UCK Ende Juni 1998 hatte Holbrooke dem State Department in Washington die Botschaft übermittelt, die UCK habe allen „terroristischen Aktivitäten“ endgültig abgeschworen und sei bereit, sich der gemäßigten Partei LDK von Ibrahim Rugova „politisch unterzuordnen“.

Mitte Oktober verkündete Holbrooke nach 57stündigen Marathonverhandlungen mit Slobodan Milosevic eine Reihe halbgare und unklare Zusagen des restjugoslawischen Präsidenten, die inzwischen sämtlich das Papier nicht mehr wert sind, auf dem sie wahrscheinlich ohnehin nie geschrieben waren – zumindest liegt bis heute keine schriftliche Fassung der Vereinbarungen zwischen Holbrooke und Milosevic vor.

Inzwischen äußern sich auch frühere Bewunderer des Erfolgsdiplomaten Holbrooke unter Journalisten oder Amtskollegen aus anderen Ländern zunehmend kritisch: Holbrooke habe in seine stundenlangen Gesprächen mit Milosevic unter vier Augen in Dayton im November 1995 und erneut im Oktober 1998 in Belgrad die Distanz verloren und zuviel Sympathie zu seinem Gegenüber entwickelt. Diesen Fehler will Albright unter allen Umständen vermeiden.

Wie immer die Entwicklung nach Ablauf der gestrigen Frist für eine Einigung bei den Kosovo- Verhandlungen in Rambouillet auch weitergehen wird: Nach Belgrad zu direkten Gesprächen mit Milosevic will sich Albright nach Informationen aus ihrer Delegation nur im äußersten Notfall begeben. Und auch nur dann, wenn ein positives Ergebnis solcher Gespräche schon vorher absehbar ist.

Sollte Milosevic nach ergebnislosem Ablauf der gestrigen Frist einen Vorschlag für eine internationale Truppe im Kosovo machen, wird Albright um die Reise nach Belgrad wahrscheinlich nicht herumkommen und kann sie nicht ihren Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien oder Rußland überlassen. Denn nur wenn der endgültige Erfolg aller Anstrengungen um ein Abkommen zwischen der serbischen Regierung und den Kosovo-Albanern mit ihrem Namen verbunden ist, wird Albright den langen Schatten von Richard Holbrooke endlich los. Andreas Zumach, Rambouillet