ÖTV: „Jetzt ist Schicht im Schacht“

■ ÖTV fordert in Warnstreiks deutlichen Lohnzuwachs / Finanzsenator droht mit Abbau von Stellen / Mehrbelastung für das Land in Höhe von 156 Millionen Mark sei zu viel

Nach dem Tarifabschluß der Metaller hoffen nun auch die Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes auf einen deutlichen Lohnzuwachs. Gestern hatte die ÖTV in Bremen zu Warnstreiks aufgerufen. Ihre zentralen Forderungen: 5,5 Prozent Lohnzuwachs, keine Einschnitte bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und eine Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze. Nachdem am Morgen etwa 1.200 der rund 35.000 Angestellten im Öffentlichen Dienst vor der Bürgerschaft demonstriert hatten, kamen am Nachmittag noch einmal 200 Mitarbeiter der vier Bremer Zentralkrankenhäuser am St.-Jürgen-Krankenhaus zusammen.

Die geforderten 5,5 Prozent liegen „am unteren Ende des Notwendigen“, steht auf einem Flugblatt der ÖTV. Die Streikenden zeigten sich deutlich bescheidener. „Wenn wir zwei Prozent kriegen, können wir schon froh sein“, so Gärtnerin Kirsten Mahlstedt. Trotzdem sei die hohe Forderung gerechtfertigt, denn „wenn wir niedriger anfangen, kriegen wir gar nix“.

Thomas Diehl, Sprecher der Finanzbehörde, sieht die hohen ÖTV-Forderungen dagegen kritisch und verweist auf die leeren Kassen der Stadt: Die geforderte Lohnerhöhung bedeute „eine Mehrbelastung von 156 Millionen Mark pro Jahr für die bremischen Kassen – da wird es ganz eng“.

Dieselbe Debatte hatte es bereits 1996 zu Beginn der großen Koalition gegeben. Damals hatte insbesondere Bürgermeister Henning Scherf die Idee verfolgt, in einem „Solidarpakt“ die Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes zu bewegen, auf bundesweit ausgehandelte Lohnerhöhungen in Bremen zu verzichten. Im Gegenzug sollte der Senat sich verpflichten, keine Stellen zu streichen. Monatelange Verhandlungen verliefen im Sande.

Für Finanzsprecher Diehl ist klar, daß die Gewerkschaften schuld sind am Scheitern der damaligen Solidarpakt-Verhandlungen. Diese hatten im Sinne eines „Bündnisses für Arbeit“ gefordert, daß mit den solidarisch eingesparten Personalkosten neue Stellen geschaffen werden sollten. Dies aber hat der Bremer Finanzsenator immer abgelehnt, er wollte im Personaletat Geld sparen.

Die aktuellen Forderungen stoßen bei Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) genauso wenig auf Verständnis. Sein Sprecher: „Wir sind Haushaltsnotlage-Land. Ein so hoher Tarifabschluß würde in Bremen zu einer massiven Beeinträchtigung der Personalwirtschaft führen.“ Da müßte über weiteren Stellenabbau nachgedacht werden.

Die ÖTV wäre auch heute bei einem „ernstzunehmenden Angebot“ bereit, über ein „Bündnis für Arbeit“ zu verhandeln. Aber „wir als Gewerkschaft können nicht Arbeitsplätze schaffen“. Laut ÖTV-Sekretär Jürgen Humer war es der Senat, der „sein Versprechen nicht gehalten hat“.

Die SPD hat auf dem Stadtbezirksparteitag am Wochenende praktisch die ÖTV-Position unterstützt: Die Delegierten strichen das Stichwort „Solidarpakt“ und ersetzten es durch die Formel, die SPD solle sich für ein „Bündnis für Arbeit“ im Öffentlichen Dienst einsetzen.

Die ÖTV ist, so argumentiert Humer, in den letzten vier Tarifrunden mit ihren Forderungen stets „unter anderen Abschlüssen zurückgeblieben“, was von der Gegenseite jedoch nicht durch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen honoriert worden sei. Jetzt sei „Schicht im Schacht“, meint Humer, denn: „Für uns wird das Brot genauso teurer.“ Kristine Schmidt