Henning Harnisch
: Schütteln und Backen

■ Zappa sagt Stinkfoot, ich sage Socke und bin heute mal Moralist

Das Schöne am Februar ist, daß auch er irgendwann mal Leine zieht. Leider nicht überall, wie Aki Kaurismäki, der auf der Berlinale seinen neuen Film „Juha“ vorstellte, bestätigen würde. Dort wurde er auf Fassbinder angesprochen und sagte: „Er beging Selbstmord. Das tue ich auch, nur langsamer.“ Für manche Menschen ist eben das ganze Leben Februar.

Für mich nicht, ich wohne ja auch nicht in Finnland. Oder in München. Es gibt da nämlich einen Flughafen, welcher auf „Franz Josef Strauß“ hört und unbedingt zu meiden ist – zumindest wenn man schwereres Arbeiterschuhwerk an den Füßen trägt. Dort und dann heißt es nämlich Schuhe aufs Fließband und ohne Schuhe, aber mit Socken, durch das Bombensuchtor marschieren, um auf der anderen Seite, immer noch im tiefsten Bayern, auf die geschluckten Schuhe zu warten. Zeit genug, bevor man sich auf die Socken macht (har, har), nette Blicke mit den anwesenden Schnauzis zu wechseln und sich zu fragen, ob in München am Flughafen wirklich alle Menschen, die dicke Schuhe tragen, sich dieser entledigen müssen oder nur die, die so aussehen wie ich.

Ich versichere Ihnen, wenn Sie bei mir zu Hause vorbeikommen, dürfen Sie Ihre Schuhe anbehalten. Schon allein, weil der Einkauf von Unterhosen und Socken bei vielen Menschen immer und irgendwie verschoben wird. Und wenn ich schon von Socken rede, plädiere ich natürlich auch für einen beschuhten Schwangerschaftsvorbereitungkurs.

Im direkten Zusammenhang mit Strümpfen sei auch, da ja bald wieder Wärme unsere Waden streicheln wird, auf ein kontrolliertes Tragen von kurzen Hosen hingewiesen. Diese sind nämlich, von älteren Menschen mit Socken jeglicher Couleur kombiniert, außerhalb von Sporthallen, ein recht fragwürdiges Kleidungselement. Personen, die so verschärft herumlaufen, sind ähnlich verdächtig wie die Besitzer von Ledermänteln.

Für den Sportsektor heißt es, knallhart formuliert: Nur Fußballer dürfen die Socken lang tragen. Die spielen draußen und hauen sich da gerne mal drauf. Obwohl meine Lieblingsspieler, historisch gesehen, immer die Stutzen unten hatten, welches herrlich mit langen Haaren und heraushängenden Trikots harmonierte.

Bei den ästhetischeren Sportarten, wie z.B. Basketball, ist man eh dazu übergegangen, die Söckchen mehr und mehr in den Sneakern verschwinden zu lassen. Das ist eine interessante Entwicklung, denn in den funky Siebzigern konnten sie nicht lang und bunt genug sein. Ich erinnere mich an Tage, an denen man durch das Übereinanderstreifen von zwei kunterbunten Riesensocken und dem Erwerb von Nike-Basketballschuhen amerikanischer Staatsbürger wurde. Aber es gibt auch heute, in Zeiten der Durchmischung von Modestilen, eine kleine Fraktion von retro-orientierten Spielern, die, wenn sie sich schon keinen Afro wachsen lassen können, ihre Kniestrümpfe zur Schau stellen. Das ist ein lustiger Anblick und wird erst normal wirken, wenn alle mitmachen. Was nicht der Fall sein wird, da meist die langen Spieler, auch Center genannt, dieses Accessoire einer ehemaligen Mode wiederzubeleben versuchen. Center sind zu groß und von Natur aus Außenseiter der Gesellschaft. Sie sind nicht smooth genug, um eine Mode- Avantgarde zu repräsentieren.

Der Basketballmode sind aber sowieso Grenzen gesetzt. So kann man sich zwar mit Stirn- und Schweißbändern schmücken, sich modisch die Haare verzieren und die Hosen als Säcke tragen, aber spätestens bei der Wahl der Schuhe hört der Spaß auf. Auch wenn noch so viele hippe Großstadtmenschen einen Adidas-Turnschuh der Olympischen Sommerspiele 1960 zu einem entscheidenden Bekleidungsutensil erklären, heißt das noch lange nicht, daß irgendein cooler Aufbauspieler bald mit den legendären Converse Chuck Taylors an den Füßen aufläuft. Denn große und kleine Spieler assoziieren mit ihrem Handwerkszeug lieber Teppiche und Federungen als Plattenbauten.

Und wenn ich schon mal moralisch-pädagogisch unterwegs bin, möchte ich darauf hinweisen, daß im Sommer das Tragen von Chucks ohne Socken verboten ist. Wer das nicht beachtet – ob Sportler oder nicht –, wird nach der Kulturrevolution erschossen. Oder dazu verurteilt, tausendmal den Song „Stinkfoot“ von Frank Zappa zu hören.