Ach Gottchen, wer glaubt im Ernst an Fair play?

■ Hat Arsenals Arsene Wenger „fair gespielt“ und trotzdem gewonnen? Unfug. Er hat sich des Vergehens schuldig gemacht, eine Lüge zu stärken – daß Betrug im Fußball nicht allgegenwärtig sei

Alles ist gut ausgegangen und Arsene Wenger jetzt natürlich zufrieden. Arsenal hat das von seinem Trainer freiwillig angebotene Wiederholungsspiel („fair play replay“) 2:1 gegen Sheffield United gewonnen und steht im FA-Cup- Viertelfinale. Und Wenger ist reif für den Friedensnobelpreis. Und mehr. „Es wurde gezeigt“, behauptet er salbungsvoll, „daß man fair spielen und gewinnen kann.“

Beim Tor, das zum ersten Sieg führte, hatte bekanntlich Arsenal- Spieler Kanu sich einen Ball geschnappt, der nach ungeschriebenen moralischen Grundsätzen zum Gegner zurückgespielt gehört hätte. Diesmal nicht. Hat Arsenal also fair gespielt?

Leute: Fußball ist wie das Leben. Betrug. Jeder betrügt. (Gut: Fast jeder.) In jedem Spiel. Geplant. Eher zufällig, weil es sich grade so ergibt. Häufig ist der Betrug bloß noch ein Reflex. Ich habe den Ball zuletzt berührt, bevor er ins Aus ging? Klar, aber ich hebe trotzdem mal die Hand. Könnte ja sein, daß der Schiedsrichter schlecht steht. Das mag man aber so nicht stehen lassen. Daher nennt man den Betrug anders, etwa „Zeitspiel“, und die notorischsten Betrüger liebevoll „Schlitzohren“. Und hat diese eine Alibigeste bewahrt: Nach einer Verletzung ins Aus gespielte Bälle werden nobel dem Gegner zurückgegeben, selbst wenn, wie in Arsenals Fall, Sheffield den Verletzten hatte und den Ball ins Aus spielte. „Wenn Wenger wirklich wollte, daß seine Spieler aufhören zu betrügen, sollte er Bergkamp auffordern, mit den Schwalben aufzuhören“, schrieb der Observer. So sieht das aus. Ja, aber das Risiko des Unternehmens Arsenal, im Wiederholungsspiel auszuscheiden? Das war ein Heimspiel gegen einen Zweitligisten! Arsenal hat doppeltes Geld verdient und dabei sein Image aufpoliert. Und Wenger will jetzt sogar den „Geist des Spiels“ gerettet haben. „Ach Gottchen“ (Bild). Er hat bloß den unnützen und falschen Glauben mancher Romantiker manifestiert, es gebe im Sport beispielhafte Werte, die es im Leben nicht gibt. Absurd – die Fifa immerhin weiß das –, was den Profifußball anbelangt. Und den von uns Gurken? Ha ha. Glaubt irgend jemand, in der schiedsrichterlosen Bunten Liga würde von den dafür zuständigen Verteidigern nicht prophylaktisch Abseits gewinkt, sobald es gefährlich wird?

Hätte Arsenal verloren, wäre Wenger bloß eines gewesen: doof und reif für die Entlassung. Das ist der Geist des Spiels. Auch dafür lieben wir es. Peter Unfried