Bücher, Preise, Bindungen etc.
: Peanuts

■ Bertelsmann verabschiedet sich globalistisch von der Buchpreisbindung

Die Deutschen sind Meister im Schaukämpfen. Zumindest nach 1945 ist das so: Historisch bedingt fühlt man sich hierzulande auf übersichtlichen Nebenkriegsschauplätzen wohler. So streitet man erbittert um die eher läppische Doppelpaßregelung und vergißt darüber, daß es um die grundlegende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts geht. So kämpft die Buchbranche unverzagt gegen EU-Kommissar Karel van Miert um den Erhalt der Buchpreisbindung und meint doch mindestens die Rettung des Kulturguts vor der nivellierenden Macht des Marktes. Geschäfte machen will man aber doch, und daß Globalisierung nicht durch Goodwill und Gesetze aufzuhalten ist, wissen auch die Buchverlage. Deutsche Debatten aber bleiben am liebsten provinziell.

Insofern ist dem Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann AG, Thomas Middelhoff, durchaus zuzustimmen, der jetzt vor dem Wirtschaftsbeirat der Union in München die Debatte um die Buchpreisbindung als „überzogen“ bezeichnet hat. Wenn weltweit Bücher kostengünstig über das Internet bezogen werden können, dann sei der Streit um die Preisbindung lediglich „Diskussion des deutsch-österreichischen Grenzverkehrs“. Peanuts, sozusagen. Middelhoff bricht damit ein langes, solidarisches Schweigen des Großkonzerns, dessen Interesse am Erhalt der Buchpreisbindung – im Unterschied zu dem der kleineren Verlage – nie recht nachvollziehbar war.

Für den Global Player Bertelsmann, der nach dem Erwerb des US-Verlagshauses Random House und der Buchhandelskette Barnes & Noble amerikanischer Marktführer geworden ist, ist der deutschsprachige Markt sowieso nur noch Nebensache. Da man mit AOL und CompuServe auch im Internetgeschäft gut vertreten ist und dort demnächst mit einem eigenen Buchvertrieb „BOL“ europäische Nummer eins werden will, ist auch die Frage von Vertrieb und Vermarktung in Bertelsmann-Perspektive längst global. Da fällt es nicht schwer, die Preisbindung, den Doppelpaß der Verlagsbranche, ganz beiläufig fallenzulassen.

Middelhoffs Vorstoß kommt nicht ganz zufällig genau in dem Moment, in dem sich zwischen Brüssel und Bonn ein Kompromiß anbahnt. Staatsminister Michael Naumann hatte van Miert vorgeschlagen, bestimmte Bücher aus der Preisbindung herauszunehmen – solche nämlich, die nicht unter die Kategorie schützenswertes Kulturgut fallen.

Van Miert sieht es genau umgekehrt: Er denkt an eine Sonderregelung für anspruchsvolle Literatur und „würde es hinnehmen, wenn die deutsche Regierung die Preisbindung in ihrem Land mit einem neuen Gesetz festschreibt“. Die grenzüberschreitende Preisbindung aber werde es zum Jahresende nicht mehr geben. Wer jedoch darüber befinden und nach welchen Kriterien die Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Bücher vorgenommen werden könnte, ist völlig unklar. Glücklich, wer Bertelsmann heißt und sich um solche politischen Niederungen nicht mehr zu kümmern braucht: der macht einfach ganz viele Bücher und kümmert sich nicht um gut oder schlecht. Hauptsache verkäuflich. Jörg Magenau