Kampf um Glauben, Macht und Geld

■ Beim Streit um die deutsche Schwangerschaftskonfliktberatung geht es auch um einen internen Richtungskampf in der katholischen Kirche

Berlin (taz) – Der Streit um die Schwangerschaftskonfliktberatung tobt in der katholischen Kirche, seit das neue Abtreibungsrecht gilt. Mit der Wiedervereinigung war eine gesamtdeutsche Abtreibungsreform nötig geworden, weil im Osten Deutschlands noch die von der DDR 1972 eingeführte Fristenregelung galt, im Westen dagegen das seit 1975 geltende Indikationsmodell. Im Juni 1992 einigte sich der Bundestag schließlich auf einen Parteienkompromiß, nach dem ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen „nicht rechtswidrig“ sein sollte, wenn sich die Frau zuvor einer Konfliftberatung unterzogen und dafür einen zum Abbruch berechtigenden Beratungsschein erhalten hat. Dagegen klagten CDU-Abgeordnete in Karlsruhe. Mit Erfolg: Das Verfassungsgericht billigte 1993 zwar die vorgesehene Fristenlösung, schrieb aber eine massive Verschärfung der Konfliktberatung zugunsten des Lebensschutzes vor.

Seitdem arbeitet der Vatikan vehement auch gegen die verschärfte Regelung, denn nach seiner Lesart beteiligen sich die katholischen Beratungsstellen durch die Ausstellung des Beratungsscheines an der „Tötung ungeborenen Lebens“. Die Mehrheit der deutschen Bischofskonferenz dagegen verteidigt die Regelung, um die Frauen in der Notlage nicht im Stich zu lassen und um die finanziellen Zuwendungen des Staates und die politischen Einflußmöglichkeiten der Kirche zu erhalten.

Neben der Auseinandersetzung um die Sache geht es also auch um einen internen Richtungskampf in der katholischen Kirche.

Im September 1995 feuert der Vatikan seinen ersten Warnschuß: Papst Johannes Paul II. erkennt „Zweideutigkeiten“ bei der deutschen Abtreibungsregelung. Die Bischöfe sind sich mit den meisten katholischen Verbänden und der zentralen Laienorganisation, dem Zentralkomiteee der deutschen Katholiken (ZdK), einig, trotzdem im System zu bleiben. Die Richtlinien zur Beratung in den katholischen Stellen werden verschärft und auf den im Gesetz festgelegten Lebensschutz zugespitzt. „Die Beratung hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frauen zur Fortsetzung der Schwangerschaft und zur Annahme ihres Kindes zu ermutigen, ihr Perspektiven für ein Leben mit Kind zu eröffnen durch Überwindung der Notlage“, heißt es in den Richtlinien.

Bei der Verteidigung ihres Sonderwegs in Rom befinden sich die deutschen Bischöfe in einer schizophrenen Situation: In Deutschland kritiseren sie die Regelungen als zu zahm, im Vatikan dagegen müssen sie eben dieses System als effektiv verteidigen. 1997 reist eine Delegation von 20 Oberhirten zum Vatikan, um die deutsche Position darzulegen und ein Verbot aus Rom zu verhindern. Deutsche Politiker von Bundeskanzler Helmut Kohl bis zum Oppositionsführer Rudolf Scharping versuchen direkt und indirekt den Papst dazu zu bewegen, den deutschen Kompromiß zu tolerieren.

Ohne Erfolg: Im Januar 1998 fordert der Papst von den deutschen Bischöfen, Wege zu finden, um die Ausstellung der Beratungsscheine durch die kirchlichen Stellen zu unterbinden. Trotzdem soll die Kirche weiter beraten, was ein Bischof als „Quadratur des Kreises“ bezeichnet.

Im März 1998 setzen die deutschen Bischöfe eine Kommission ein, um Vorschläge zu erarbeiten, die dem Willen des Papstes entsprechen sollen. Der Präfekt der römischen Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, drängt auf eine schnelle Entscheidung. Katholische Laien gründen den Verein „Frauenwürde“, um die katholische Beratung notfalls in eigener Regie weiterzuführen.

Seit dem 22. Februar debattieren die Bischöfe in Lingen über die Ergebnisse: Deren wichtigster Vorschlag ist ein „Beratungs- und Hilfeplan“, mit dem das bestehende System der Beratung erhalten und ausgebaut werden soll. Bei einem Besuch in Rom vor der Sitzung hatte sich der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Bischof Karl Lehmann, eine Abfuhr für diesen Plan geholt. Ratzinger will die Regelung nicht akzeptieren, die Deutschen wollen den Papst für eine Entscheidung anrufen. Bernhard Pötter, VK