Bischöfe im Dilemma

Der Ausstieg aus der Schwangerschaftsberatung ist für die katholische Kirche eher ein Problem als für die Frauen  ■ Von Heide Oestreich

Berlin (taz) – Heute nachmittag wird die Deutsche Bischofskonferenz das Ergebnis bekanntgeben. Tagelang haben die 71 Bischöfe sich die Köpfe darüber heiß diskutiert, wie sie in der Schwangerschaftskonfliktberatung bleiben, gleichzeitig aber den Ruch loswerden können, indirekt an der Tötung ungeborenen Lebens beteiligt zu sein.

Eigentlich ist die Mehrzahl der Bischöfe seit langem der gleichen Meinung wie katholische Laien, Politikerinnen und Politiker aller Parteien. Und nicht zuletzt auch die Beratungsstellen selbst wollen in der gesetzlichen Konfliktberatung bleiben. Ein vager Kompromiß hat sich in den vergangenen Tagen angedeutet. Der herkömmliche Beratungsschein könnte erweitert werden um einen „Beratungs- und Hilfeplan“, der ein weitergehendes Hilfsangebot für die schwangeren Frauen garantieren soll.

Trotz eines solches Beschlusses würde es dann in eine neue Runde der Auseinandersetzung mit Rom gehen. Denn der Grundkonflikt der katholischen Kirche wäre auch mit dem neuen Schein nicht gelöst. Der Vatikan will, glaubt man Kardinal Ratzinger in Rom, den Ausstieg aus der gesetzlichen Beratung. Was würde dies für die Schwangerschaftsberatung bedeuten?

Es gibt in der Bundesrepublik 1.700 Beratungsstellen, lediglich 270 davon betreuen die katholischen Sozialdienste. Würden einzelne oder auch alle Diözesen aussteigen, wie Fulda es bereits getan hat, würde die gesetzliche Konfliktberatung nicht zusammenbrechen, denn der Staat muß ohnehin ein flächendeckendes Beratungsangebot garantieren. Doch das Hilfsangebot würde etwas ärmer.

Bis jetzt ist es so, daß Frauen, die zum Abbruch tendieren und den Schein und organisatorische Beratung benötigen, eher zu den kommunalen Stellen, zugelassenen Ärzten oder Pro Familia gehen. Mehr als 90 Prozent der Frauen, die Pro Familia berät, brechen ihre Schwangerschaft schließlich ab, schätzt der stellvertretende Geschäftsführer Joachim von Baross. Wer zu den kirchlichen Beratungen geht, ist wirklich unentschlossen und braucht Aufklärung über Kinder- und Erziehungsgeld oder psychische Unterstützung. Die katholischen Beratungsstellen beraten nicht nur nach den gesetzlichen Vorgaben, sondern haben zusätzlich noch „bischöfliche Richtlinien“. Da heißt es beispielsweise, daß sichergestellt werden sollte, daß die Schwangere sich wirklich auf ein Gespräch einläßt und nicht nur den Schein abholt. Außerdem darf keine Beratung zur Organisation des Abbruchs gegeben werden.

Die Entscheidung für den Abbruch wird den Frauen bei den katholischen Beratungsstellen also nicht leichtgemacht. 25 Prozent der katholisch Beratenen behalten ihr Kind, hat der Sozialdienst katholischer Frauen ermittelt.

In der Praxis bedeutet die katholische Variante der Beratung aber auch, daß die Perspektive auf ein Leben mit Kind durch konkrete Hilfsangebote ergänzt wird. So stellt die Kirche Kleiderkammern, kleine finanzielle Zuwendungen für die Babyausstattung und Kinderutensilien aller Art zur Verfügung. Sie bemüht sich, Mutter-Kind-Gruppen einzurichten und Tagesmütter zu organisieren. Deshalb verweist Pro Familia Frauen, die sich für ein Kind entscheiden, an die katholische Kirche weiter.

Beschließt die Bischofskonferenz heute den „Beratungs- und Hilfeplan“, gäbe es von der katholischen Kirche noch mehr Hilfe für junge Mütter. Ihnen würde das Leben etwas erleichtert. Wer aber triftige Gründe für einen Abbruch hat, wird damit kaum zu beeindrucken sein, meint von Baross: „Was nützen einer Frau Geld und ein Kinderwagen, wenn sie ihre Ausbildung abbrechen muß und wenig Chancen auf einen Arbeitsplatz hat?“ Der Pro-Familia- Geschäftsführer klagt, „bei der Kirche klafft eine große Lücke zwischen Theorie und Praxis“.

Macht die katholische Kirche Ernst mit dem Ausstieg aus der gesetzlichen Beratung, würde sie erheblich weniger unsichere Schwangere erreichen. Vor allem aber würde sie die staatliche Unterstützung für ihre Beratung verlieren. Das wiederum führte wohl dazu, daß sie ihr umfangreiches Hilfsangebot zumindest auf andere finanzielle Füße stellen, wenn nicht gar schmälern müßte. Das aber läuft ihrer eigenen Absicht zuwider.