Nach der tödlichen Lawine: Skiort Galtür wird evakuiert

■ Da noch viele Urlauber und Einheimische vermißt werden, wird die Zahl der Todesopfer vermutlich auf über 30 steigen. Gestern begrub eine Lawine bei Galtür wieder neun Menschen. Weiterhin herrscht höchste Gefahr in vielen Alpenregionen

Wien/Galtür (dpa/rtr/AFP/taz) – Nach der verheerenden Lawinenkatastrophe vom Dienstag ging gestern nachmittag bei Galtür im Paznauntal erneut eine Lawine nieder. Sie zerstörte drei Häuser und verschüttete neun Menschen, von denen am Abend noch sechs vermißt wurden. Die Evakuierungsaktion aus dem Tal mußte wegen des schlechten Wetters unterbrochen werden. Rettungstrupps hatten bis zum Nachmittag sechzehn Tote geborgen, die dem Lawinenabgang am Dienstag zum Opfer gefallen waren. Nach inoffiziellen Angaben stammen sieben Tote aus Deutschland, darunter zwei Kinder im Alter von vier und acht Jahren. Etwa 25 Menschen – unter ihnen vermutlich zehn Kinder – wurden noch vermißt. Es gab kaum Hoffnung, sie noch lebend zu finden. 17 Menschen erlitten teils schwere Verletzungen. Der Tiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner sprach vom „schrecklichsten Unglück in Tirol nach dem Zweiten Weltkrieg“. Wegen der weiterhin hohen Lawinengefahr wurden bis zum Mittag auch etwa 300 Touristen aus dem Ort gebracht.

Zwei Staublawinen hatten am Dienstag nachmittag fast zeitgleich den Ortskern getroffen. Vier Häuser wurden nach Augenzeugenberichten zerstört, fünf andere schwer beschädigt. Die Schneemassen kamen erst kurz vor der Dorfkirche zum Stillstand. Trotz eines Schneesturms hatten rund 200 Retter die ganze Nacht weiter nach Verschütteten gesucht. Rund 100 Urlauber gruben mit bloßen Händen verzweifelt nach Verschütteten.

In Galtür saßen seit acht Tagen insgesamt 3.500 Menschen fest. Der Ort galt als nicht besonders lawinengefährdet: Eine Lawine, die den Ortskern verschüttete, ist in den Chroniken seit dem 16. Jahrhundert nicht verzeichnet.

Staublawinen wie die in Galtür gelten als die gefährlichsten Lawinen. Die Schneemassen stürzen teilweise durch die Luft zu Tal und gehen daher nicht kanalisiert nieder. Sie bestehen aus lockerem Pulverschnee, der bis zu 300 Stundenkilometer schnell wird und eine gefährliche Druckwelle vor sich herschiebt.

Die Lage in weiten Teilen der Alpen ist extrem gefährlich. Für die nächsten Tage werden weitere Schneefälle erwartet. In diesem Winter sind die schwersten Schneefälle seit 1978 zu verzeichnen. Der Katastrophe in Galtür waren in kurzer Abfolge mehrere Lawinenunglücke im Alpenraum vorausgegangen: Eines forderte Anfang Februar in Chamonix zwölf Menschenleben, ebenfalls zwölf Menschen starben in der Schweiz. Tagesthema Seite 3