Wahrlich grandioser Schweinerock

■ Glücklich wieder an der Metal-Basis angekommen und auf der Suche nach dem schwerstmöglichen Gitarrenriff: Cathedral aus Coventry spielen heute im Glashaus der Arena

Ein wenig vorsichtige Musik vom Jahrmarkt, dann setzt das erste dieser Gitarrenriffs ein: unterirdisch, steinschwer, monströs. Bulldozer, Büchsenbier, Blähungen... Es assoziiert sich schnell und problemlos. Cathedral haben mit „Caravan Beyond Redemption“ eine wahrlich grandiose Schweinerockplatte gemacht, die nicht nur den Schwermut des momentan so beliebten Stoner Rocks adaptiert, sondern ihn zusätzlich mit Gimmicks aus den 70ern erweitert, die die Gralshüter in der Kyuss-Nachfolge wohl eher ablehnen würden.

Als da wären: kunstvolle Songaufbauten, elegische Gitarrensoli, akustisches Geklimper, Späßchen wie die Kirmesmusik oder einen puristischen Percussion-Part. Das Quartett aus Coventry kann sich inzwischen nicht nur die Kunstkackereien leisten, es hat auch endlich wohl die nötigen technischen Fähigkeiten erworben, nicht mehr nur loszuknüppeln, sondern gleichzeitig brutal und entspannt dahinzuschwingen – jedenfalls insoweit man in diesem Genre swingen kann.

Bis zur vollständigen Ausbildung dieser Souveränität steckten Cathedral jedoch allzu oft in der Vergangenheit ihres Sängers Lee Dorrian fest, der (wie überhaupt gut die Hälfte der ganzen Metal- Szene) mal bei Napalm Death gespielt und so Grindcore und Death-Metal miterfunden hat. Sein eigenes Projekt Cathedral dagegen legte den Geschwindigkeitswahn der Kollegen ebenso zu den Akten wie deren von Crass geerbtes politisches Bewußtsein, sang (oder besser: kotzte) am liebsten von Katastrophen aller Art, flüchtete sich in Fantasywelten und nannte es Doom-Metal.

Fortan speiste sich die Welt, die Dorrian entwarf, aus seiner Vorliebe für „Planet der Affen“, japanische Mangas und Videospiele, glänzte dabei aber jederzeit mit Selbstironie, was man ja wohl auch erwarten kann von jemandem, der als Elfjähriger von seinem Papa die Sex Pistols geschenkt bekam und mit 17 in einer anarchistischen Gruppe aktiv war. Trotzdem waren Cathedral von Anfang an angelegt als Versuch, die Helden aus den 70ern, vornehmlich natürlich Black Sabbath, auf den neuesten Stand zu bringen. Von der anderen Seite, vom Punk und Hardcore her kommend, wurde ähnliches versucht, da hieß es bloß Stoner Rock.

Inzwischen hat man sich in der Mitte getroffen. Schlußendlich beschäftigt alle nur eine Frage: Wie tief kann man rocken? Auf dieser Suche nach dem schwerstmöglichen Gitarrenriff hat sich das Subgenre Doom längst schon wieder aufgespalten in diverse Untersparten wie 70s Doom, Melodic Doom oder Doomdeath. Und während Dorrian dafür sein Mißfallen zum Ausdruck bringt und lieber sein Interesse an japanischen Ultralärmkapellen wie den Boredoms diskutiert, wurde seine eigene Band zwar immer härter, aber trotzdem melodischer. Der Ausflug zu einer Major-Plattenfirma war da wohl unvermeidlich, aber auch schnell wieder vorbei, als sich Cathedral weigerten, zu den zweiten Metallica zu werden, auch wenn sie dazu wohl locker das Potential hätten. Inzwischen hat man mit den Helden von Black Sabbath getourt und ist glücklich wieder zurück an der Metal-Basis.

Dort arbeitet man nun für den nächsten Aufbruch des Genres, mag es nun Doom oder Stoner Rock heißen. Das von Dorrian gegründete Label veröffentlicht einen guten Teil des Nachwuches, darunter Orange Goblin, die auf dieser Tour für den Chef aufwärmen dürfen. Ihre Platte beginnt mit dem Geräusch des startenden Motorrads, das sich auch auf dem Cover befindet. Hier kommen die 70er endgültig bei sich an. Mit eisernem Willen wird der historische Sound rekonstruiert. Dabei geraten einem allerdings weniger Sabbath als deren armselige Kopisten in den Sinn. Orange Goblin erinnern sehr an Steppenwolf. Heute mag man das noch lustig finden. Aber sagt morgen nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt. Thomas Winkler

Cathedral, Orange Goblin und Terra Firma. Heute abend, 21 Uhr im Glashaus der Arena, Eichenstraße 4, Treptow