Grüner Ortstermin im Berliner Bordell

■ Bündnisgrüne Frauen wollen endlich Entkriminalisierung von Prostituierten

Wenn ihre Kolleginnen in männlicher Begleitung die Bar verlassen, muß Felicitas Weigmann die Augen schließen. Schließlich darf sie offiziell nicht wissen, daß die Paare über den Hof in eins der Zimmer gehen, die sie stundenweise vermietet. Strenggenommen macht sich Weigmann, die in Wilmersdorf sowohl eine Bar als auch eine Zimmervermietung betreibt, der Förderung der Prostitution schuldig.

Der Straftatbestand Förderung der Prostitution wiederum ist ein weites Feld: Er kann nicht nur auf die Tatsache, daß in der Bar Kontakte vermittelt werden, angewandt werden, sondern auch auf die Einrichtung der Zimmer: „Besonders nett machen darf ich es da oben nicht“ sagt Weigmann, die selbst als Prostituierte arbeitet, das gilt auch als Förderung der Prostitution.“

Eine Architekturstudentin, die ein frauenfreundliches Bordell entworfen hatte, durfte den Entwurf nicht als Diplomthema einreichen – Förderung der Prostitution. Auch vertragliche Vereinbarungen mit den Frauen, die in der Bar arbeiten, darf Felicitas Weigmann nicht treffen – das ist Zuhälterei.

Nun mag eine Clubbetreiberin nach dem Schlag von Felicitas Weigmann eher die positive Ausnahme sein – dennoch geht nach Angaben diverser Hurenprojekte ein großer Teil der geschätzten 50.000 Prostituierten in Deutschland freiwillig und selbstgewählt ihrem Gewerbe nach.

Und weil das so ist, wollen die bündnisgrünen Frauen nach dem Regierungswechsel in Bonn auch ihrer Forderung nach einer Entkriminalisierung der Prostitution erneut Ausdruck verleihen und luden in der vergangenen Woche zum Expertengespräch. „Auch eine Prostituierte muß ihren Beruf da ausüben können, wo sie gerne möchte“, erklärte die angereiste frauenpolitische Sprecherin im Bundestag, Irmingard Schewe-Gerigk, und zwar sozialversichert und legal.“ Bisher sind vor allem in Westdeutschland eigens eingerichtete Sperrbezirke, in denen vor allem Straßenhuren ohne jegliche soziale Kontrolle der Szene ausgesetzt sind, ebenso an der Tagesordnung wie Ablehnungsschreiben von Versicherungsunternehmen. Nur eine einzige private Krankenversicherung konnte sich bereits dazu durchringen, Prostituierte aufzunehmen – bei allen anderen firmieren sie als Erzieherinnen oder Typberaterinnen; Risiko des Auffliegens inklusive.

Mit ihrem „Gesetzentwurf zur Beseitigung der rechtlichen Diskriminierung von Prostituierten“ wollen die Grünen den Tatbestand „Förderung der Prostitution“ (außer bei Minderjährigen) ebenso aufheben wie den der Zuhälterei. Außerdem soll klargestellt werden, daß Prostitution im Sinne des Grundgesetzes als Beruf anzuerkennen ist, auf den das Vertragsrecht Anwendung findet. Damit könnten Prostituierte ihr Honorar einklagen. Außerdem würde das Gesetz den Abschluß von Arbeitsverträgen ermöglichen. „So“, so die frauenpolitische Sprecherin im Berliner Abgeordnetenhaus, Ingrid Lottenburger, „würden viele Prostituierte auch weniger ausbeutbar werden, als sie es jetzt sind.“

Wie vielen Berliner Prostituierten die Gesetzesnovelle, die in den kommenden Wochen Familienministerin Christine Bergmann (SPD) erneut ans Herz gelegt werden soll, tatsächlich helfen würde, ist allerdings unklar, da kaum verläßliche Zahlen darüber vorliegen, wie viele Prostituierte unter welchen Umständen arbeiten. Alleine die geschätzte Zahl der Prostituierten für Berlin schwankt zwischen fünf- und zehntausend. Mindestens die Hälfte sind Migrantinnen und werden auch nach Anerkennung der Prostituierten als Berufsbild kaum schneller eine Arbeitserlaubnis oder auch nur eine Aufenthaltsberechtigung bekommen. Auch der Grad der Freiwilligkeit ihrer Berufsausübung darf wohl in vielen Fällen bezweifelt werden. Und auch das Preisdumping wird so lange bestehen, wie der Konkurrenzdruck enorm ist. Gerade für drogenabhängige Frauen, die sich auf dem Straßenstrich ihren nächsten Schuß finanzieren müsssen, zählt oft ohnehin nur die nächste Mark. Jeannette Goddar